Der Tanz des Maori (epub)
Händen brach. Konnte es sein, dass sie neuseeländische Jade in den Händen hielt? Den Stein, den Ruiha der jungen Ava einst zur Hochzeit geschenkt hatte?
Mit den Bildern und dem Stein in der Hand lief sie die Treppe hinunter und winkte Sinas Mutter, die im Wohnzimmer saÃ, nur kurz zu. »Vielen Dank! Ich muss los!«
Sie verschwand, bevor Hannelore auch nur die Chance hatte, nach den Ergebnissen ihrer Suche zu fragen. So schnell es ging, lief sie nach Hause, die vier Bilder und den flachen Stein in ihrer Handtasche versteckt. Kaum angekommen, griff sie nach dem Telefon. Etwas verschlafen meldete sich am anderen Ende Sina.
»Hallo?«
Erst jetzt rechnete Katharina nach. In Neuseeland war es sechs Uhr morgens. Es war Sonntag. Sina schlief wahrscheinlich endlich einmal aus â aber die Neuigkeiten konnten nicht warten.
»Ich binâs!«, platzte Katharina heraus. »Ich weià jetzt endlich, was du mit dieser Ava Denson zu tun hast: Sie ist deine GroÃmutter!«
Mit einem Schlag war Sina am anderen Ende der Welt hellwach. »Und wie wurde sie zu Eva Gehrling?«
»Keine Ahnung«, bekannte Katharina. »Ich habe auf keiner Passagierliste und bei keiner Meldebehörde eine Ava Denson gefunden. Völlige Fehlanzeige, es ist, als ob diese Ava sich auf der Fahrt nach Deutschland in Luft aufgelöst hat.«
»Und woher willst du dann wissen, dass sie zu Eva Gehrling wurde?«
»Ich weià nicht, was zwischen ihrer Abreise in Neuseeland und ihrer Hochzeit in Berlin 1938 passiert ist. Dafür bin ich mir aber sicher, dass Eva Gehrling die ehemalige Ava war. Ich habe bei deiner Mutter im Nachlass von deinem GroÃvater stöbern dürfen. Und da habe ich in einem Schuhkarton mit alten Bildern gleich vier Bilder gefunden, die aus Westport stammen.«
»Nicht zu glauben!« Katharina konnte hören, wie Sina sich nebenher einen Kaffee kochte. »Du bist dir ganz sicher?«
»Ich kann dir Kopien schicken, aber du wirst sehen: Eines der Bilder ist sogar ein weiterer Abzug von dem Foto in dem alten Fotoalbum â¦Â«
»Aber ⦠was wurde aus Junior? Der muss doch noch leben!«, dachte Sina laut nach.
»Das habe ich mir auch schon gedacht.« Katharina starrte auf die vier Bilder, die vor ihr lagen. »Aber ich fürchte, den musst du an deinem Ende der Welt suchen. Es sieht nicht so aus, als ob Ava-Eva noch Kontakt mit ihm gehabt hat, nachdem sie Neuseeland verlassen musste. Glaubst du nicht, dass Ruiha etwas wei�«
»Ich werde sie noch einmal besuchen müssen«, stimmte Sina zu. »Sie war ja anfangs das Hausmädchen bei den MacLagans. Sie hat also zumindest die erste Zeit von Junior in seinem neuen Zuhause mitbekommen. Mit ein bisschen Glück hat sie auch eine Ahnung, wo Junior sich heute verborgen hält.«
»Wo steckt denn überhaupt dein Brandon?«, wechselte Katharina das Thema.
»Immer noch in Vanuatu. Es ist wohl komplizierter als gedacht, diesen Tanker wieder zu flicken. Ich rufe ihn aber sicher sofort an und erzähle ihm, was du herausbekommen hast.« Sina lachte. »Er war schlieÃlich die ganze Zeit der Meinung, dass ich mir die Geschichte einer Frau anhöre, die rein gar nichts mit mir zu tun hat!«
Als sie das Telefonat beendet hatten, starrte Sina noch ein Weilchen auf den Telefonhörer in ihrer Hand. Sicher, mit Brandon an ihrer Seite wäre die Suche nach ihrem verschollenen Onkel sehr viel schöner. Aber es konnte noch Wochen dauern, bis er endlich in seinem Südsee-Paradies Anker lichten durfte. So lange wollte sie auf gar keinen Fall warten. Als Erstes musste sie Ruiha noch ein letztes Mal um Rat fragen.
23.
Ruiha musterte die aufgeregte Sina, die da an ihrem Küchentisch saÃ. Fast ohne Pause hatte sie geredet und all ihr neues Wissen aus Deutschland vor ihr ausgebreitet. Jetzt sah sie sie mit diesen meergrünen Augen an, die so erschreckend den Augen ihrer GroÃmutter glichen.
»Ruiha, ich habe einen Onkel irgendwo hier in Neuseeland. Kannst du mir irgendwie helfen, ihn zu finden? Du hast doch immerhin seine ersten Jahre noch mitbekommen, oder? Was ist denn passiert, nachdem Ava-Eva an Bord dieses Schiffes verschwunden ist?«
Ruiha sah nachdenklich in ihren Garten. Der Rimu-Baum, die Manuka-Sträucher, der groÃe Farnbaum ⦠alles war ihr so unendlich vertraut. Sie lebte hier seit vielen Jahrzehnten, und niemand fragte nach den dunklen Tagen in ihrem
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