Der Tanz des Maori (epub)
überrascht, als Katharina vor der Tür stand. »Du weiÃt doch sicher, dass Sina in Neuseeland ist?«
»Ja, sicher«, erklärte Katharina. »Sie hat mich allerdings gebeten, etwas über ihre Familie herauszufinden.«
»Ãber mich und meinen Mann?« Jetzt schaute Sinas Mutter allerdings wirklich ungläubig. »Was kann sie denn da wissen wollen?«
»Nein, nicht über Sie«, erklärte Katharina geduldig. »Es geht um Ihre Mutter Eva. Sina hat mir erzählt, dass sie nichts über ihre GroÃmutter weiÃ, und jetzt löchert Brandon sie wegen der alten Familiengeschichten â¦Â«
»Hui, das klingt ja allmählich ernst«, lachte Sinas Mutter. »Komm doch herein. Ich koche uns einen Kaffee und erzähle dir ein wenig aus dem Leben meiner Mutter. Obwohl sie nie sehr viel von sich preisgegeben hat, wenn ich mir das richtig überlege. Eva war wohl eher der schweigsame Typ â¦Â«
»Ich werde Sie auch nicht lange belästigen«, versprach Katharina noch, bevor sie auf dem Sofa Platz nahm und kurz darauf eine Tasse mit heiÃem Kaffee entgegennahm. Sinas Mutter hatte nicht übertrieben, als sie von »nicht viel preisgeben« gesprochen hatte. Die Fakten, die sie über ihre Mutter wusste, lieÃen sich schnell zusammenfassen.
Eva Gehrling war 1909 in Hamburg geboren und hatte sehr spät geheiratet, nämlich erst mit neunundzwanzig Jahren. Mit dem Berliner Arzt Hubertus Gehrling hatte sie eine glückliche Ehe geführt, 1940 war ihr einziges Kind, die Tochter Hannelore, zur Welt gekommen. Sie hatte zeit ihres Lebens nur wenig über sich selbst erzählt und am liebsten Urlaub in Deutschland gemacht. 1970 war sie im Alter von einundsechzig Jahren an Krebs gestorben, ihre Enkelin Sina war erst ein Jahr später zur Welt gekommen. Der GroÃvater hatte fünfundzwanzig Jahre lang um den Tod seiner geliebten Eva getrauert â¦
Katharina sah Sinas Mutter nachdenklich an. »Und mehr ist nicht bekannt? Was hat Eva denn gemacht, bevor sie geheiratet hat? Neunundzwanzig war damals doch ausgesprochen alt für den Gang zum Altar. Und wie hat sie Hubertus denn kennengelernt?«
Verlegen zuckte Hannelore mit den Achseln. »Ich weià es nicht. Ja, ich hätte sie das alles fragen müssen. Aber sie war keine Frau, die es schätzte, wenn man sie ausfragte. Sie hielt sich immer unauffällig im Hintergrund, lächelte bei heftigen Diskussionen und behielt ihre Meinungen immer für sich. Was in meiner Mutter wirklich vor sich ging, werde ich wohl nie erfahren â¦Â«, stellte sie geistesabwesend fest. »Der Einzige, der Eva genau kannte, war mein Vater. Wenn ich an meine Eltern denke, dann sehe ich sie immer Hand in Hand vor mir. Sie waren unendlich liebevoll und immer rücksichtsvoll zueinander.«
Sie sah Katharina an. »Ich habe bis jetzt noch nicht die alten Fotoalben meines Vaters durchgesehen. Sein Tod ist noch nicht so lange her, da ist es einfach zu schmerzhaft ⦠Aber wenn du möchtest, kannst du die Sachen gerne durchsehen. Es ist nur ein einziger Umzugskarton, aber da drin verbirgt sich alles Mögliche â von alten Kontoauszügen bis hin zu Bildern von irgendwelchen Vorfahren â¦Â«
Katharinas Interesse war geweckt. Alte Erinnerungsstücke machten sie immer neugierig â so wie damals die alte Nähmaschine in dem kleinen Antiquitätengeschäft in Seddonville. »Das sehe ich mir gerne an!«, erklärte sie. »Ich falle Ihnen auch bestimmt nicht zur Last, lassen Sie mich einfach mit der Kiste und einer Kanne Kaffee alleine.«
Ein paar Minuten später fand sie sich in Sinas altem Kinderzimmer wieder. Gemeinsam mit der bestellten Kanne Kaffee, einer nicht bestellten, aber sehr willkommenen Tafel Schokolade und einem bis an den Rand gefüllten Umzugskarton. Entschlossen öffnete sie das Ding und zog das erste Schächtelchen heraus. Neugierig öffnete sie es und fand zwei Orden an schimmeligen Bändchen. Auf beiden fand sie ein Hakenkreuzemblem. Nicht überraschend: Hubertus hatte Führer und Vaterland gedient â und sich dabei offenbar verdient gemacht. Sie nahm ein schmales Buch aus dem Karton. Gedichte. Und zwar fein säuberlich mit der Hand abgeschrieben. Rilke, Hesse ⦠eher von der gefühlsduseligen Sorte.
Weiter. Ein Packen Briefe, mit einem verwaschenen roten Bändchen zusammengehalten. Vorsichtig legte Katharina die leicht vergilbt
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