Der tanzende Tod
von meinem Versuch, ihm eine Lektion über die Maßeinheiten zu erteilen, und dem Büchlein erzählt hatte.
»Ich weiß.«
»Ich glaube, er hat tatsächlich mitgelesen, als ich ihm die Verse vorlas. Er kennt alle Buchstaben, zumindest diejenigen bis zum M. Morgen Abend werde ich ihm den Rest des Alphabetes nahe bringen.«
»Dies wird gewiss nett werden.«
»Ist alles in Ordnung?«
»Ich hoffe es.« Doch ihr Gesicht hatte wieder einen vollkommen ernsten Ausdruck angenommen. Ich befürchtete eine Rückkehr ihrer früheren Melancholie.
»Was ist es denn, von dem du hoffst, dass es in Ordnung ist?«
»Vielleicht mache ich mir zu viele Sorgen, aber ich benötige eine Zusicherung von dir.«
»Worüber?«
Ihre Ohren nahmen eine rötliche Färbung an. »Dies ist vollkommen dumm von mir. Ich kenne dich, aber es scheint, ich kann die Sorge nicht im Zaume halten.«
»Welche Sorge? Nun sage mir schon, worum es geht.«
»Es ist nur die Tatsache, dass Richard für dich im Augenblick außerordentliche Freude bedeutet. Alles ist völlig neu und aufregend. Aber ich muss davon überzeugt sein, dass du für ihn da sein wirst, wenn er mehr als nur einen Spielkameraden braucht. Dass du dich auch dann um ihn kümmern wirst, wenn eine ernsthafte Situation eintritt, ebenso, wie Vater es immer für uns getan hat.« Ihre Worte sprudelten in einem einzigen Schwall hervor, ein deutliches Zeichen ihrer Verlegenheit.
Ich selbst hatte bereits in meinem tiefsten Inneren genau die gleichen Gedankengänge verfolgt. Ich hatte mir Gedanken gemacht zu meiner Befürchtung, dass ich andere Beschäftigungen finden würde, denen ich nachgehen könnte, sobald der Reiz des Neuen durch Richards Anwesenheit nachgelassen hätte. Nachdem ich mein Herz eingehend erforscht hatte, war ich zu dem Schluss gekommen, dass diese Furcht es nicht wert war, weiter untersucht zu werden.
»Natürlich werde ich das tun«, antwortete ich leise. »Elizabeth ... du solltest Folgendes wissen: Dieser Junge ist ein Teil meiner ureigensten Seele und wird es immer bleiben. Dies ist so sicher wie der Sonnenaufgang.«
Ihr Gesicht erhellte sich ein wenig. Dann lächelte sie, nur ein wenig, und gab einen ebenso kleinen Seufzer von sich. »Ich danke dir, dass du nicht ärgerlich auf mich bist.«
Ich zuckte mit den Schultern. »Wenn dir Richard auch nur halb so sehr am Herzen liegt wie mir, dann bedeutet es für mich sowohl eine Pflicht als auch ein Vergnügen, mir deine Sorgen um ihn anzuhören. Du hast dir nichts vorzuwerfen.
Ich behaupte nicht, zu glauben, dass ich mich so gut um ihn kümmern könnte, wie es Vater bei uns getan hat, aber ich werde ganz gewiss mein Bestes tun.«
»Ich verstehe nicht, warum ich dachte, du würdest möglicherweise weniger tun. Vermutlich musste ich es nur von dir hören.«
»Das liegt daran, dass du meine Schwester bist. Du hast mich als Kind gesehen, wie ich über zerschrammte Knie und eine blutige Nase geheult habe, und es ist schwer zu akzeptieren, dass der Knabe aus deiner Erinnerung mit den Angelegenheiten eines Mannes fertig werden kann, nun, da er erwachsen ist. Lieber Himmel, es gibt viele, die dies nicht vermögen, egal, wie alt sie werden.«
»Dies ist nur zu wahr.« Wir sahen einander an, der Frieden in ihrem und meinem Herzen war wiederhergestellt – dies hoffte ich zumindest. Trotz all des Vergnügens und der Ausgelassenheit, welche ich mit Richard geteilt hatte, besaß ich dennoch ein scharfes und klares Bewusstsein für die Verantwortung, die damit verbunden war. Gelegentlich erlag ich der Furcht und verzagte angesichts der ungeheuren Verantwortung, ein Kind aufzuziehen, aber andererseits hatte ich selbst eine mehr als anständige Erziehung genossen und konnte auf Erinnerungen an das Beispiel meines Vaters zurückgreifen, wenn nötig. Mit der Hilfe durch diese Erinnerungen und mit der Anleitung durch andere Menschen als Grundlage gab es einigen Grund zu erwarten, dass ich die Angelegenheit nicht verpfuschen würde. Und dennoch wäre ich sehr, sehr glücklich, wenn Vater in England einträfe.
Vielleicht sollte ich ein wenig warten, bevor ich nach einem Hause suchte, weil immerhin die Möglichkeit bestand, dass er mir bei der Wahl hülfe. Ein großer Teil seiner Arbeit als Anwalt hatte sich mit den Einzelheiten von Kauf und Verkauf bei Eigentums- und Grenzstreitigkeiten befasst. Ich würde seinen großen Erfahrungsschatz außerordentlich begrüßen. Verdammnis, es würde tausend Entscheidungen zu treffen geben. Das Haus
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