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Der tausendfältige Gedanke

Der tausendfältige Gedanke

Titel: Der tausendfältige Gedanke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: R. Scott Bakker
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wütend.
    »Du konntest die Rathgeber die ganze Zeit über sehen und hast mir nichts davon gesagt… Warum?«
    Und warum musstest du ausgerechnet Esmenet nehmen?
    Kellhus hob die Brauen und seufzte. »Weil der Zeitpunkt dafür noch nicht gekommen war. Aber das weißt du ja schon.«
    »Wirklich?«
    Kellhus lächelte mit geschürzten Lippen und wirkte so leidend wie ratlos. »Jetzt müssen du und dein Orden verhandeln, während ihr mich zuvor einfach verschleppt hättet. Ich habe dir die Hautkundschafter aus dem gleichen Grund verheimlicht, aus dem du mich deinem Orden gegenüber verheimlicht hast.«
    Aber das weißt du ja schon, wiederholte sein Blick.
    Achamian fiel keine Antwort ein.
    »Du hast den Mandati von mir berichtet«, fuhr Kellhus fort und begann, zwischen den blühenden Reihen zu schlendern.
    »Ich habe ihnen von dir berichtet.«
    »Und sind sie mit deiner Deutung einverstanden?«
    »Mit welcher Deutung denn?«
    »Dass ich mehr bin als das Vorzeichen der Zweiten Apokalypse.«
    Mehr. Ein Zittern fuhr ihm durch Körper und Seele.
    »Sie halten das für unwahrscheinlich.«
    »Ich könnte mir vorstellen, dass es dir schwerfällt, mich so zu beschreiben… dass sie es verstehen.«
    Achamian blickte einen Moment hilflos und sah dann zu Boden.
    »Also«, fuhr Kellhus fort, »wie lauten deine vorläufigen Anweisungen?«
    »Ich soll so tun, als würde ich dich in die Gnosis einweihen. Ich habe ihnen gesagt, du würdest sonst zu den Scharlachspitzen gehen. Und ich soll dafür sorgen, dass dir…« – Achamian fuhr sich mit der Zunge über die Lippen – »… dass dir nichts zustößt.«
    Kellhus grinste und zog gleichzeitig ein finsteres Gesicht, wie Xinemus es vor seiner Blendung oft getan hatte.
    »Also sollst du mein Leibwächter werden?«
    »Sie haben guten Grund, sich Sorgen zu machen – genau wie du. Denk an das Unglück, das dein Erscheinen bewirkt hat. Jahrhundertelang haben die Rathgeber sich im Fett der Drei Meere verborgen gehalten, während wir kaum mehr als Gespött waren. Sie konnten ungestraft ihr Unwesen treiben. Doch nun ist dieses Fett verbraten. Sie werden alles tun, um das Verlorene zurückzugewinnen. Alles!«
    »Es hat schon andere Attentäter gegeben.«
    »Das war früher… Inzwischen steht viel mehr auf dem Spiel. Vielleicht handeln diese Hautkundschafter aus eigenem Antrieb. Vielleicht werden sie aber auch… gelenkt.«
    Kellhus musterte ihn einen Moment. »Du fürchtest, dass die Rathgeber unmittelbar beteiligt sind… dass ein Alter Name den Heiligen Krieg beschattet.«
    Achamian nickte. »Ja.«
    Kellhus antwortete nicht sofort, jedenfalls nicht mit Worten. Stattdessen nahm alles an ihm – seine Haltung, seine Miene, sein Blick – eine erschreckende Entschlossenheit an. »Die Gnosis«, sagte er schließlich. »Wirst du sie mich lehren, Akka?«
    Er weiß es – er weiß, welche Macht die Gnosis ihm verleihen würde. Unter den Grundfesten von Achamians Seele schien der Boden wegzusacken.
    »Wenn du darauf bestehst… obwohl…« Er sah Kellhus an und merkte, dass der Dunyain schon wusste, was er sagen würde. Es schien, als seien seine strahlend blauen Augen schon über jeden Einwand und jede sich daraus ergebende Folgerung geglitten. Nichts kann ihn überraschen.
    »Ja«, sagte Kellhus seltsam missmutig. »Wer die Gnosis empfängt, verliert den Schutz der Chorae.«
    »Genau.«
    Zuerst würde Kellhus nur die Verwundbarkeit eines Hexenmeisters besitzen, aber keine seiner Fähigkeiten. Viel mehr als die Anagogik war die Gnosis eine analytische und systematisch aufgebaute Kunst. Selbst um einfachste Formeln anzuwenden, bedurfte es eines umfangreichen Vorwissens, und so nutzlos dieses Wissen auch war, setzte es die Schüler der Gnosis doch von Anfang an der tödlichen Gefahr der Chorae aus.
    »Darum musst du mich beschützen«, sagte Kellhus. »Von nun an bist du mein Wesir. Du wirst hier im Fama-Palast wohnen und mir zur Verfügung stehen.« Die Worte wurden im Befehlston eines Tempelerlasses gesprochen, waren aber mit solcher Gewissheit und Unausweichlichkeit aufgeladen, als würden sie nichts fordern, sondern nur etwas beschreiben, und als wäre Achamians Einverständnis eine alte und offensichtliche Übereinkunft.
    Kellhus wartete nicht auf eine Antwort. Sie war nicht vonnöten.
    »Kannst du mich überhaupt schützen, Akka?«
    Achamian blinzelte und war damit beschäftigt zu verarbeiten, was gerade geschehen war. Du wirst hier im Fama-Palast wohnen…
    Mit ihr.
    »Vor einem Alten

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