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Der tausendfältige Gedanke

Der tausendfältige Gedanke

Titel: Der tausendfältige Gedanke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: R. Scott Bakker
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Desaster«, stieß der Ordensmann hervor. »Ein komplettes Desaster. Seid Euch gewiss, General – das alles wird in den offiziellen Bericht einfließen, den – «
    Es hatte eine eigene Seele besessen, wie es beinahe ohne ein Schimmern auf- und niedergefahren war.
    So ein unartiges Messer.
    Sompas säuberte es an den Beinlingen des zuckenden Mannes und kehrte zu seinen Männern, seinen ruhmreichen Kidruhil, ans Feuer zurück. Von ihnen konnte er annehmen, dass sie ihn verstanden – von den meisten jedenfalls. Aber von einem Hexenmeister?
    Bitte.
    Er hatte keine Wahl gehabt. Es hatte einfach geschehen müssen.
    Nicht nur seine eigene Haut stand auf dem Spiel, sondern das Leben seiner ganzen Sippe. Sein Pech – denn mehr war es nicht – durfte schließlich nicht das ganze Haus Biaxi ausradieren. Conphas würde alle aus seinem Geschlecht umbringen – ohne Skrupel und Schuldgefühle. Sompas hatte erkannt, dass er nur eine Chance hatte: Er musste dafür sorgen, dass Conphas zu Tode kam. Und dazu musste er den Heiligen Krieg finden, sich dem Kriegerpropheten auf Gnade und Ungnade ausliefern… und ihn wissen lassen, was er wusste.
    Und wer weiß? War der verwünschte Ikurei erst ausgelöscht, würde womöglich ein Biaxi den Kaisermantel tragen. Ein Kaiser, der sich mit den Fanim gegen seinen Glauben verschworen hatte? Je länger Sompas darüber nachdachte, desto mehr schienen Ehre und Rechtschaffenheit ihn zu seinem Handeln zu zwingen. Er hatte keine Wahl…
    Von seiner Gelassenheit überrascht, gesellte Sompas sich zu Agnaras, der allein am Feuer der Offiziere saß. Der Hauptmann war angestrengt darum bemüht, ihn nicht anzusehen.
    »Wo ist Ouras?«, fragte der General, als wäre er verärgert über jemanden, der allgemein als Narr galt.
    »Wer weiß?«, gab der Hauptmann zurück. »Vielleicht hockt er mit nacktem Hintern im Gebüsch…« Ist doch egal, schien sein Ton zu sagen. Das war erleichternd.
    Der General saß auf seinem Feldstuhl und presste die Hände vor den Flammen zusammen, damit der hartgesottene Soldat ihr Zittern nicht bemerkte. Agnaras war ein Dreier im klassischen Sinne. Er wusste, was Schwäche ausmachte, und das war viel gefährlicher, als sie nur zu verachten – für Sompas jedenfalls. Der General sah zu dem größeren Feuer hinüber, an dem die anderen beisammensaßen, und sofort wandten sich die Blicke ab. Sie waren zu still, und ihre vom Feuer beschienenen Mienen waren viel zu ausdruckslos. Plötzlich spürte er es: Sie warteten…
    … auf eine Gelegenheit, ihm die Kehle durchzuschneiden.
    Sompas sah wieder in das Feuer und dachte an Ouras, der nur wenige Längen entfernt im Unterholz lag. Er würde den Moment sorgfältig wählen müssen… genau wie seine Worte.
    Vielleicht sollte er sich aber auch einfach davonstehlen…
    »Wer bewacht das Gelände?«, fragte er Agnaras und traf im gleichen Moment seine Entscheidung.
    Ja, ja, stiehl dich davon und lauf, lauf –
    Plötzliche Rufe ließen ihn und Agnaras aufspringen.
    »Da ist was in den Bäumen – «
    »Ich hör’s! Ich höre – «
    »Maul halten!«, zischte der Hauptmann. »Allesamt!« Er breitete die Arme seitwärts aus, als wollte er ihre Stimmen mit den Händen niederhalten. Die Feuer schienen zu kichern. Ein Stück Kohle platzte, und Sompas schrak innerlich zusammen.
    Mit gezogenen Waffen standen sie einen furchtbaren Moment lang lauschend da und spähten angestrengt ins Blätterdach, konnten aber nur das Astgewirr knapp über sich erkennen, denn weiter reichte der Schein des Feuers nicht. Der Rauch schien ins Endlose aufzusteigen.
    Dann hörten sie es: Ein Kratzen drang aus der Finsternis über ihnen. Etwas Staub rieselte auf die Lichtung, gefolgt von Baumrinde, die durch die Luft wirbelte.
    »Gütiger Sejenus!«, keuchte ein Kavallerist, wurde aber sofort durch zornige Rufe zum Schweigen gebracht.
    Es folgte ein Geräusch, als würde ein kleiner Junge auf Leder pinkeln. Ein brutzelndes Zischen ließ sie zum Hauptfeuer sehen. Alle Blicke schienen darauf gerichtet zu sein, wie ein Blutsfaden in die Flammen rann…
    Dann fiel eine Gestalt herab. Glühende Äste und Kohlen stoben in alle Richtungen, und Rauch stieg in Schwaden auf. Männer schrien im plötzlichen Dämmerlicht auf und stolperten zurück. Einige schlugen wild auf die Funken an ihrer Kleidung ein. Sompas konnte Ouras erkennen, der blutbesudelt im Feuer lag.
    Die Pferde wieherten und bäumten sich unter den Ästen auf. Vor der Düsternis ringsum schienen sie nur tanzende

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