Der tausendfältige Gedanke
denn alles war in Auflösung begriffen. Der Mandati hatte die gesamte Befehlsstruktur zerstört. Selbst die heilige Standarte des Kaisers war in Flammen aufgegangen! Er wandte sich von dem Schauspiel ab und überflog die umliegenden Felder und Weiden. Kidruhil flohen – flohen! – nach Süden. Drei seiner Kolonnen hatten angehalten, während sich die Reihen der Nasueret, die am weitesten entfernt waren, zurückzuziehen schienen.
Sie hielten ihn offenbar für tot.
Lachend schob er sich durch die dicht gedrängten Soldaten und trat mit geöffneten Armen vor seine weit auseinandergezogenen Truppen. Die weiß gewandeten Reiter, die er einen entfernten Hügel hinaufsprengen sah, ließen ihn nur kurz zögern.
»Euer Kaiser hat überlebt!«, brüllte er. »Der Löwe vom Kiyuth lebt!«
Rauchwolken stiegen von golden züngelnden Flammen zum Himmel auf.
Für das Vorrücken der Thunyeri schien es keines Signals bedurft zu haben. Zu Hunderten ergossen sie sich in Gräben, erstiegen Geröllhänge und sprangen durch die Fenster da und dort stehengebliebener Mauern. Sie stimmten keinen Schlachtruf an, sondern trieben wie Wölfe lautlos vorwärts.
Die Cishaurim sammelten sich wieder. Lichtfluten gingen auf die verwüstete Landschaft und die herbeihetzenden Krieger der Norsirai nieder. Schmerzensschreie ertönten. Schatten schlugen in gleißendem Licht um sich. Einen Moment lang konnte der Hochmeister nur verdutzt zuschauen. Er sah einen Barbaren mit brennendem Bart und Haupthaar durch die Trümmer stolpern und ein Banner mit dem Zirkumfix in die Höhe stemmen.
Unvermittelt stürzte die Flut erneut auf Eleäzaras ein, diesmal in Gestalt elementarer Energien, die seinen Abwehrzauber in hohem Bogen angriffen und erschütterten. Er schrie sein Lied geradezu heraus, um seine magischen Schutzwände zu stützen oder zu erneuern, und wusste doch, dass es nicht genügen würde. Wie waren ihre Feinde nur so stark geworden?
Doch dann nahmen die furchtbaren Lichter um die Hälfte, ja um drei Viertel ab. Keuchend sah Eleäzaras, wie der rußgeschwärzte und blutverschmierte Hüne Yalgrota Sranchammer Fanfarokar am Hals in die Luft stemmte. Mit in der Faust geballtem Chorum hämmerte der riesige Thunyeri den rasierten Schädel des Cishaurim zu Brei. Eleäzaras fuhr herum, suchte die dunklen Hügel ringsum nach Gefahren ab und sah Seökti vor einem Ansturm schwarzer Schatten rückwärts schweben… auf die Feuer zu, die an den Hängen der Heiligen Höhen tobten. Die wenigen verbliebenen Einheiten seiner Scharlachspitzen gingen derweil mit erneuertem Zorn zu Werke.
»Kämpft!«, rief er ihnen zu. »Kämpft, Ordensbrüder, kämpft!«
Von seiner Einheit war nur ein Schildträger übrig geblieben, der sich verstört zu seinen Füßen wand. Eleäzaras hatte keine Ahnung, was mit den anderen passiert war.
Der Hochmeister der Scharlachspitzen verfluchte den Narren und stieg in den raucherfüllten Himmel hinauf.
Die Schlacht tobte.
Von heidnischen Pfeilen getroffen stürzten Männer vom Aquädukt in die kämpfende Menge. Wütend geschwungene Schwerter und Krummsäbel ließen Blutfontänen steigen. Manch ein Schild wurde zum Schutz vor durchgehenden Pferden erhoben. Erstaunte Männer pressten die Hände auf tödliche Wunden. Rasende Männer hieben und hämmerten auf das Gedränge vor ihnen ein. Weinende Männer schleiften ihre toten Herren davon.
Dann wichen die Fanim zurück, wie Wasser vor Wellenbrechern zurückweichen mag. Die Inrithi jubelten auf der ganzen Länge des Aquädukts. Ein Numaineiri trat vor, fuchtelte mit dem Schwert und rief: »Wartet! Ihr habt euer Blut vergessen!«
Hunderte lachten.
Die Toten wurden nun aus den Regimentslisten gestrichen. Boten ritten die rückwärtige Schlachtlinie ab. Seit bald zwei Jahren führten die Inrithi Krieg, und seine Gepflogenheiten schienen ihnen so nah zu sein wie ihre Knochen und ihr Blut. Immer mehr Männer des Stoßzahns kletterten auf das zerfurchte Aquädukt, das zu ihrer Schutzmauer geworden war. Oben verschlug ihnen der Anblick der sich massenhaft neu formierenden Fanim den Atem.
Hörner ertönten. Irgendwo stimmte jemand ihr Lied wieder an:
Wir bringen dem Morgen Ruhm
Und wüten gegen das Heute.
Außer Reichweite der Bogenschützen versammelten sich die Fanim erneut um ihre leuchtenden Banner. Für kurze Zeit gab es nur im Süden Gefechte, wo Ansacer seine Männer, die so abgebrüht wie die Götzendiener waren, die Weiden hinauf zum Heiligtum von
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