Der tausendfältige Gedanke
Azoreah führte. Obwohl Lord Gotian und seine Tempelritter in erschreckender Unterzahl waren, segelten sie ihnen förmlich den Hang herab entgegen. »Gott will es!«, riefen die Kriegermönche. Überall auf dem Aquädukt bejubelten die Männer des Stoßzahns, wie die Heiden die Hänge hinabflüchteten.
Dann verlangsamte sich der Rhythmus der Trommeln, und mit einem Beckenschlag setzten sich die vielen Heiden vor ihnen in Trab. Die ersten, von den mächtigen Eibenholzbögen der Agmundrmänner abgeschossenen Pfeile stiegen in den Himmel. Andere Schützen der Inrithi taten es ihnen bald nach, doch ihre Salven schienen in der langsam heranrückenden Flut keinen Schaden anzurichten.
Plötzlich brachten die Fanim mit der für große Menschenmengen so typischen Schwerfälligkeit ihre Pferde kaum hundert Schritt vor den an den Fundamenten des Aquädukts aufgestellten Truppen der Inrithi zum Stehen. Ob auf Banner gestickt oder auf Rundschilde gemalt: Die Reiter trugen überall die beiden Krummschwerter des Fanimismus. Ihre mit gepanzerten Schabracken geschützten Pferde stampften und schnaubten, doch die Mienen der behelmten Fanim strahlten eine mörderische Ruhe aus. Die Männer des Stoßzahns waren so erstaunt, dass ihr Lied langsam verstummte. Selbst ihre Schützen senkten die Bögen.
Die Söhne von Fane und Sejenus betrachteten einander über einen schmalen, mit Toten gepflasterten Streifen Landes hinweg.
Sonnenlicht drang über die Felder und blitzte von feuchtem Metall. Die Männer blinzelten zum Himmel und sahen Geier im grellen Licht kreisen.
Inmitten der Girgashi brüllten Mastodonten. Ein spannungsgeladenes Rascheln ging durch die Reihen der Heiden wie der Götzendiener, und Späher riefen Warnungen vom Aquädukt herab: Hinter ihren reglosen Brüdern schienen heidnische Reiter sich neu zu positionieren. Doch alle Blicke galten den Coyauri, denn dort drängte sich das dreieckige Banner des Padirajah nach vorn: der mit Silberfaden auf schwarze Seide gestickte Wüstentiger mit Mähne. Die Reihen teilten sich, und Fanayal selbst galoppierte im goldenen Kettenpanzer mit seinem Rappen auf den schmalen Landstreifen zwischen den Heeren.
»Wer ist die wahre Stimme Gottes?«, rief er den erstaunten Inrithi zu, und das sogar auf Scheyisch.
Seine mit schriller, jugendlicher Stimme geäußerte Frage war offenbar das Signal für seine Landsleute, denn nun rückten Tausende brüllend und mit gesenkter Lanze näher.
Mit schockstarren Gliedern machten die Inrithi sich bereit. Das heiße Sonnenlicht schien nun krank zu machen.
Fanayal führte seine Coyauri als mächtigen Keil zwischen die Gesindalmänner und deren Brüder aus Galeoth, also genau zwischen die Kämpfer, die dafür optiert hatten, nicht bei ihrem Herrn Saubon zu bleiben, der sich als frischgebackener König von Caraskand geweigert hatte, mit nach Shimeh zu ziehen. Graf Anfirig rief seinen blau tätowierten Landsleuten etwas zu, doch die Überraschung war zu groß; alles ging in einem einzigen Durcheinander unter. Die heidnische Kavallerie hatte die vorderen Reihen überrumpelt und hieb nun auf die Inrithi weiter hinten ein. Der Padirajah kämpfte sich in den Schatten der Bögen vor, während seine Schützen das Aquädukt beschossen.
Plötzlich flammte unter den Heiden Jubel auf, denn Cinganjehoi hatte weiter im Norden die Reihen der Ainoni durchbrochen und focht nun mit Lord Soter und seinen erbarmungslosen Rittern aus Kishyat. Vom Padirajah angespornt, verdoppelten die Coyauri ihren Eifer und kämpften sich bis zum Sonnenlicht auf der anderen Seite des Aquädukts vor. Plötzlich galoppierten sie über offenes Gelände und metzelten die letzten Überlebenden nieder. Die ruhmreichen Granden aus Nenciphon und Chianadyni strömten ihnen nach.
Doch die Lehnsmänner und Ritter aus Ce Tydonn erwarteten sie. Welle für Welle warfen die Eisenmänner sich der anschwellenden Menge der Heiden entgegen. Lanzen zertrümmerten Arme und warfen Männer aus dem Sattel. Pferde drängten sich Hals an Hals, Huf an Huf. Schwerter und Krummsäbel klirrten. Graf Gothyelk küsste den goldenen Stoßzahn an seinem Hals und galoppierte dann auf die Standarte des Padirajah zu. Seine Männer trieben mehrere Dutzend Coyauri auseinander und kämpften sich vor. Der Graf – von seinen Leuten Alter Hammer genannt – streckte jeden nieder, der ihm entgegenzutreten wagte. Dann stand er dem goldenen Fanayal plötzlich Knie an Beinschiene gegenüber.
Laut Augenzeugen währte der Kampf nur
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