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Der tausendfältige Gedanke

Der tausendfältige Gedanke

Titel: Der tausendfältige Gedanke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: R. Scott Bakker
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unsichtbaren Fluidum. Der Dämon wandte sich ihm gebeugt und geifernd zu.
    »Die Stimme«, keuchte er und machte einen schaurigen Schritt nach vorn, der alles Leben rings um seinen Fuß zu hellbraunem Staub zerbröckeln ließ.
    »Sie sagt: Aug um Auge.«
    Die Hitze, die von ihm ausging, war so trocken wie zu Asche verbrannte Knochen.
    »Dann endet das Verletzen…«
    Achamian begriff, dass dies kein gewöhnlicher Dämon war. Sein Mal war wie Licht und so intensiv, dass es das Pergament der Welt schwärzte, aufrollte und verbrannte. Der Daimos…
    Was hatte Iyokus da losgelassen?
    »Esmi!«, rief er. »Flieh! Ich bitte dich – flieh!«
    Der Ciphrang sprang auf ihn zu.
    Achamian stimmte seine Formeln an. Herrliche Abstraktionen fuhren wie eine Dreschmaschine aus Licht um ihn und vor ihm durch die Luft. Der Dämon lachte und schrie.
     
     
    Sein Vater taumelte gegen eine der mit Skulpturen bedeckten Wände. Schwarz glänzende Schlangen wanden sich zwischen den Plastiken hervor und legten sich ihm wie Augen, die zu ersticken vermochten, um den Hals.
    Kellhus trat zurück und sah auf einen daumennagelgroßen Punkt, der sich etwa eine Armeslänge vor ihm befand. Aus einem wurden viele, aus Seele wurde Ort, wurde Hier im emphatischen Sinne.
    Ein Hier, das aus dem Wesen der Dinge kam.
    Und er sang mit drei Stimmen, von denen die sagbare sich an die Welt wandte, während die beiden tabuisierten Stimmen auf den Boden gerichtet waren. Eine alte Beschwörungsformel verwandelte sich so in etwas weit Größeres: in eine Übertragungsformel.
    Blaues Licht fuhr rings um ihn durch die Luft und hüllte ihn in strahlenden Glanz. Durch glühende Fäden hindurch sah er, wie sein Vater sich mühsam aufrichtete und sich mit seinen Nattern in den Gang aufmachte. Dass Anasûrimbor Moënghus im Licht seines Sohns so bleich aussehen konnte!
    Das Dasein gehorchte ängstlich der Peitsche, die seine Stimme war. Das Hier wurde zum Dort. Hinter seinem Vater sah er Serwë, die das blonde Haar zum Kriegsknoten gebunden hatte. Er sah sie aus dem Dunkel springen, während er in eine weit größere Finsternis stürzte.
    Drusas Achamian beschwor mit mächtigen Worten Zerstörung. Parabeln aus schneidend weißem Licht Versehrten den Ciphrang, und Blut sprudelte ins Gras. Das rotglühende Fleisch flog wie die Reste eines ausgetretenen Feuers durch die Luft.
    Die heranwogende Hitze ließ Esmenets Wangen leuchten. Sie stand wie angewurzelt da, obwohl das Zusehen ihr unerträglich war. Inmitten verdorrten und brennenden Grases stand er hinter seinen Lichtwällen und wirkte herrlich mächtig und erschreckend schwach zugleich. Aber der Ciphrang setzte ihm wie ein rasender Alptraum zu, hämmerte auf ihn ein und krallte nach ihm. Seine Hiebe ließen selbst das Gemäuer um Esmenet herum bersten und ihre Nase bluten. Die magischen Schutzwälle bogen sich um Achamian und gingen zu Bruch. Der Hexenmeister griff zu den großen Stoßformeln, die wuchtige Schläge auf den Kopf des Dämons niedergehen ließen, sodass seine Hörner splitterten und seine Spinnenaugen Sprünge bekamen.
    Der Angriff des Ciphrang steigerte sich nun zur Raserei, zu einem zuckenden Furor der Gewalt, bis die Hölle selbst an Achamians Schutzwällen zu rütteln schien.
    Der Hexenmeister schwankte, blinzelte mit gleißenden Augen und schrie auf –
    Dann versagte ihm einen Moment lang die Stimme.
    Esmenet glaubte, durch das Jubelgebrüll des Ciphrang hindurch Rattenschreie zu hören. Achamian wurde schwächer, doch sein Mund formte weiter Worte. Die Drachenkrallen kamen näher…
    Achamian wurde immer schwächer.
    Sie konnte nicht schreien.
    Das Monstrum sprang zum Himmel auf und peitschte so heftig mit den aufgespannten Flügeln, als wollte es die Luft züchtigen.
    Sie konnte nicht schreien.
     
     
    »Ich lebe!«, rief Ikurei Conphas erneut, hörte aber wieder nur die Schlacht zwischen den Hexenmeistern donnern und krachen. Kein Jubel hallte ihm entgegen, nicht einmal vereinzelte Rufe der Erleichterung oder Anerkennung. Sie konnten ihn nicht sehen – das war es! Sie verwechselten ihn mit einem der ihren, hielten ihn für einen bloßen Menschen…
    Er fuhr wieder zu seinen verblüfften Rettern herum.
    »Du!«, rief er einem verdutzten Hauptmann der Kolonne Selial zu. »Treib General Baxatas auf. Er soll sofort kommen!«
    Der Mann zögerte kaum einen Wimpernschlag lang, doch das genügte, um in Conphas’ Bauch ein kaltes Feuer zu entfachen. Dann sprang der Narr schon durch Gras und Klee auf

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