Der tausendfältige Gedanke
unterbrach sich erneut und schluckte. »Krieg ist wie Benjuka: seine Regeln hängen von den vorausgegangenen Zügen ab – nicht mehr und nicht weniger.«
Ehe er fortfahren konnte, sagte Cnaiür: »Krieg ist eine Sache des Verstandes.«
Conphas hielt inne und legte behutsam seine silbernen Gabeln beiseite.
Cnaiür schob seinen Teller weg. »Du fragst dich, wo ich das gehört habe?«
Conphas schürzte die Lippen und schüttelte den Kopf. Dann tupfte er sich das Kinn mit der Serviette ab. »Nein… du warst damals zugegen, als ich Martemus meine Taktik erklärte. Du warst dort, stimmt’s? Unter den Toten.«
»Ich war dort.«
Conphas nickte, als hätte sich ein alter Verdacht bestätigt. »Ich bin neugierig… Damals waren Martemus und ich nur zu zweit…« Er sah Cnaiür vielsagend an. »Wir hatten keinen Geleitschutz.«
»Du fragst dich, warum ich dich nicht getötet habe?«
Conphas lächelte süffisant. »Warum du nicht versucht hast, uns zu töten, Scylvendi.«
Die Hand eines jugendlichen Sklaven tauchte aus der Dunkelheit auf und zog Cnaiürs Teller weg – Gold und Knochen.
»Das Gras«, sagte er. »Es hatte sich um meine Beine geschlungen und hielt mich am Boden.«
Eine Tür hatte sich geöffnet. Er sah es deutlich in ihrer aller Augen – sogar in denen seiner sogenannten Untergebenen. Eine Tür hatte sich geöffnet, und Entsetzen war in ihre Mitte getreten.
Ich sehe dich.
Nur Conphas schien nichts zu bemerken – als würden ihm die dazu notwendigen Organe fehlen.
»Natürlich«, sagte er grinsend. »Der Boden gehörte ja mir.«
Niemand lachte.
Cnaiür lehnte sich zurück und sah in seine großen Handteller. »Lasst uns allein«, befahl er. »Alle.«
Anfangs bewegte sich keiner, atmete nicht einmal. Dann räusperte sich Conphas. Mit einem Blick, der so finster wie unerschrocken war, sagte er: »Tut, was er sagt.«
Sompas wollte protestieren.
»Und zwar sofort! «, schnauzte der Oberbefehlshaber.
Kaum waren sie fort, ließ Cnaiür den Blick über Conphas’ fein geschnittenes Gesicht gleiten. Seine eigene Stirn, selbst seine Nase waren Schatten am Rande seines Gesichtsfeldes… eine Erinnerung an das, was zusah.
Cnaiür von Skiötha…
Conphas nickte, als verstünde er voll und ganz. »Ich hätte am Kiyuth verloren«, sagte er, »wenn du damals König der Stämme gewesen wärst.«
… der grausamste Mensch auf Erden.
»Das«, sagte Cnaiür, »und mehr.«
Conphas kicherte in seine Weinschale hinein und sagte mit gezückten Brauen: »Auch das Kaiserreich, wie ich vermute.«
Cnaiür musterte ihn mit lindem Erstaunen. Die Stimme war dieselbe, aber der Junge neben ihm konnte unmöglich der kaiserliche Oberbefehlshaber sein, der an jenem lange vergangenen Morgen das Schlachtfeld am Kiyuth inspiziert hatte. Jener Mann war unbesiegbar gewesen. Er hatte die Walstatt überragt, und all die unzähligen Toten hatten seinen Namen auf den Lippen gehabt. Er war der Große Ikurei Conphas gewesen.
Und hier saß er nun, der Löwe vom Kiyuth. Sein Genick war so schmal wie all die anderen, die Cnaiür gebrochen hatte.
Conphas schob seinen Teller zurück und wandte sich ihm so verschmitzt wie verschwörerisch zu. »Was ist da bloß im Herzen verhasster Feinde? Außer dem Anasûrimbor verachte ich niemanden mehr als dich…« Er lehnte sich mit freundlichem Achselzucken zurück. »Und doch verspüre ich diese… unwahrscheinliche Gelassenheit in deiner Gegenwart.«
»Gelassenheit«, schnaubte Cnaiür. »Das liegt daran, dass die Welt dein Trophäensaal ist. Deine Seele empfindet alles als Schmeichelei – selbst mich. Du machst alles, was du siehst, zu deinem Spiegel.«
Conphas blinzelte und lachte dann auf. »Lassen wir doch das affektierte Gerede, Scylvendi.«
Cnaiür stieß sein Messer mit aller Wucht in den schweren Tisch. Die Schalen und Teller klirrten, und Conphas zuckte zusammen. »Das hier«, knurrte der Häuptling. »Das ist es, was die Welt in Wahrheit ist!«
Conphas schluckte, schaffte es aber, seine gutgelaunte Fassade zu bewahren. »Und was soll das sein?«
Der Barbar grinste. »Sogar jetzt bewegt es dich.«
Ikurei Conphas fuhr sich mit der Zunge über die Lippen. Seine feinen Züge verkrampften sich um den Mund, als er die Zähne zusammenbiss. Warum wirkte Zorn auf schönen Gesichtern immer so nett? »Ich kann dir versichern«, sagte Conphas gelassen, »ich fürchte keine…«
Cnaiür gab ihm eine solche Ohrfeige, dass Conphas hintenüber kippte.
»Du führst dich auf, als würdest
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