Der tausendfältige Gedanke
schwärmten aus und vertrieben die Fischer, die immer wieder ungenutzte Liegeplätze unerlaubt in Beschlag nahmen. Cnaiürs Anwesenheit sorgte dafür, dass es keine Zwischenfälle gab. Zum Trocknen aufgespannte Netze wurden heruntergerissen, Schuppen eingetreten.
Es stank nach Feuchtigkeit und verwesendem Fisch. Cnaiür hielt schützend die Hand vor die Sonne und beobachtete, wie einige Ruderboote zum Hafeneingang glitten und sich der vordersten Karacke der Nansur näherten. Sie sahen aus wie auf dem Rücken liegende Käfer, die rhythmisch die Beine ins Wasser warfen. Möwen mit rotem Schnabel, deren Schreie nah und gellend klangen, trieben über ihnen am Himmel. Wie hatte Tirnemus sie noch genannt? Gopas…
Er sah, wie immer mehr Boote die Flotte erreichten.
Kurz darauf traf Sanumnis in voller Montur ein, begleitet von Skaiwarra, einem Häuptling der Thunyeri, der drei Tage zuvor mit dreihundert Angehörigen seines Stamms – allesamt Männer des Stoßzahns – in Joktha an Land gegangen war. Sanumnis erklärte, Wein aus Eumarna und der darauf folgende Durchfall hätten ihre Abfahrt bis heute verzögert. Der Häuptling war ein untersetzter Mann mit blonden Zöpfen und so ungestüm wie viele seiner Landsleute. Er sprach zwar kein Wort Scheyisch, doch die wenigen Brocken Tydonnisch, die er und Sanumnis sprachen, reichten Cnaiür, um mit ihm zu verhandeln. Skaiwarra schien erst kürzlich unter die Piraten gegangen zu sein und als solcher einen unbändigen Hass auf die Nansur und ihre frommen Flotten zu haben. Er willigte ein, noch einen Tag länger zu bleiben.
Während ihrer Unterhaltung traf ein Bote von Troyatti ein und meldete, Imyanax, Baxatas und Areamanteras würden zwar gerade zum Hafen geleitet, Conphas und Sompas aber seien nirgendwo aufzutreiben. Offenbar sei Conphas am Vorabend böse verprügelt worden, und Sompas habe ihn auf der Suche nach einem Arzt an einen anderen Ort in der Stadt geschafft.
Cnaiür erwiderte Sanumnis’ düsteren Blick. »Verriegle die Tore und besetz die Mauern«, sagte er. »Falls etwas passiert, gehört die Stadt dir – so hat es der Kriegerprophet befohlen.«
Der Baron wich vor der Intensität seines Blicks zurück und nickte ergeben. Cnaiür wandte sich wieder der Sonne zu, während Sanumnis sich mit Skaiwarra entfernte. Das erste Boot kehrte zurück und glitt zwischen den Eingangstürmen des Hafens über die Kette hinweg, die die Einfahrt versperrte. Die Sonne stand nun so hoch, dass Cnaiür das tiefe Rot der Segel erkannte, die gerefft an den schwarz gestrichenen Masten hingen.
Kaum waren Tirnemus und sein Gefolge eingetroffen, führten Troyattis Männer die Offiziere der Nansur schon auf den Dammabsatz. Der Baron roch nach Wein und Schweinebraten. Cnaiür befahl ihm, seine Männer entlang der Anleger antreten zu lassen. »Wenn alles in Ordnung ist«, sagte er, »wirst du die Einschiffung in die Hand nehmen müssen.«
»Ist denn alles in Ordnung?«, fragte der Baron mit deutlicher Besorgnis. Sie alle rochen nun, dass etwas nicht stimmte.
Cnaiür wandte ihm den Rücken zu und gab seinen Hemscilvara das Zeichen, die Gefangenen ans Ende des Kais zu bringen. Ihre Arme waren auf dem Rücken gefesselt – also hatten sie Widerstand geleistet.
Er musterte die Generäle der Nansur wütend, als sie an ihm vorbeigestoßen wurden. »Betet, dass diese Frachtschiffe leer sind…«
»Du Hund!«, zischte der alte Baxatas. »Was weißt du schon vom Beten?«
»Mehr als dein Oberbefehlshaber.«
Dem folgte ein Moment der Stille.
»Wir wissen, was du getan hast«, sagte Areamanteras vorsichtig.
Mit finsterem Blick näherte Cnaiür sich dem General und hielt erst an, als er direkt über ihm stand. »Was habe ich denn getan?«, fragte er mit seltsamer Stimme. »Als ich aufwachte, hatte ich Blut auf den Schenkeln…«
Areamanteras schlotterte vor Angst. Er wollte schon antworten, schürzte dann aber die Lippen, um ihr Zittern zu verbergen.
»Du Schwein!«, rief Baxatas, der sich rechts von Cnaiür befand. »Du Scylvendi-Schwein!« Trotz seiner Wut stand auch ihm die Angst in den Augen.
Über ihnen kreischten die Gopas.
»Wo ist er?«, fragte Cnaiür. »Wo ist der Ikurei?«
Die drei schwiegen. Nur Baxatas wagte seinen Blick zu erwidern und schien ihn anspucken zu wollen, besann sich aber offenbar eines Besseren.
Cnaiür wandte sich wieder dem ersten Boot zu und beobachtete, wie das schwarze Wasser an die Pfähle des Anlegers klatschte. Ein Ast ragte aus dem Dunkel und verzweigte
Weitere Kostenlose Bücher