Der tausendfältige Gedanke
ausdruckslos.
Cnaiür ließ die Hände sinken. »Also sag deinen Chorae-Bogenschützen, sie sollen sich in den Gebäuden rings um den Hafen verstecken. Sag ihnen, sie müssen nur einen Ordensmann töten, um den Rest im Hafen zu halten. Ohne Fußsoldaten, die ihnen den Weg ebnen, werden sie ungern vorrücken. Hexenmeister schätzen ihre Haut.«
Die aufstrahlenden Augen des Barons zeigten, dass er Cnaiür verstanden hatte. Dem Scylvendi war klar, dass Conphas den Ordensleuten im Hafen wahrscheinlich befohlen hatte, auf ihren Schiffen zu bleiben, und sie vor allem dazu bestimmt waren, Cnaiür und seinen Männern die Flucht unmöglich zu machen. Der Oberbefehlshaber der Nansur war nicht so dumm, sein mächtigstes und empfindlichstes Werkzeug aufs Spiel zu setzen. Nein, Conphas hatte ohnehin vor, durch den Zahn zu kommen. Aber es schadete nicht, Sanumnis und seine Männer glauben zu lassen, sie hätten ihn dazu gezwungen.
Ein weiterer Blitz ließ sie erneut zum Hafen sehen. Zweifellos flohen Tirnemus und die Reste seiner Männer in die Stadt.
»Es wird dunkel sein, ehe die Nansur einen Angriff auf den Zahn in die Wege leiten können«, rief Cnaiür durch den anschließenden Donner. »Wir dürfen nur die Späher auf den Mauern lassen und müssen uns in die Stadt zurückziehen.«
Sanumnis runzelte die Stirn.
»Die Kaiserlichen Ordensleute können nichts ausrichten, solange wir uns inmitten ihrer Landsleute befinden«, erklärte Cnaiür. »Das ist ein Grund zur Hoffnung…«
»Hoffnung?«
»Wir müssen Conphas bluten lassen! Wir sind nicht die einzigen Männer des Stoßzahns.«
Plötzlich bleckte der Baron die zusammengebissenen Zähne, und Cnaiür sah den Funken, den er hatte entzünden müssen. Er schaute die Brüstung entlang auf Dutzende verängstigter Gesichter, die ihn anstarrten. Andere, vor allem Thunyeri, sahen vom gepflasterten Vorplatz des Zahns zu ihm hoch, und über dem Hafen breiteten sich schwere Rauchwolken orange und schwarz in der untergehenden Sonne aus.
Er trat an die Innenseite der Mauer und streckte die Arme in großer Geste aus: »Hört her! Ich werde euch nicht belügen. Die Nansur können sich keine Gnade leisten, weil sie sich keine Wahrheit leisten können! Heute Nacht werden wir alle sterben!«
Er ließ diese Worte in der Stille verhallen.
»Ich weiß nichts von eurem Jenseits. Ich weiß nichts über eure Götter und ihre Gier nach Ruhm. Eins aber weiß ich: Bald werden mich Witwen unter Tränen verfluchen! Felder werden ins Kraut schießen! Söhne und Töchter werden in die Sklaverei verkauft! Väter werden verzweifelt sterben, weil sie wissen, dass ihre Linie ausgelöscht ist! Heute Nacht werde ich mein Zeichen ins Kaiserreich Nansur ritzen, und Tausende werden schreien, weil ich keine Gnade gewähren werde!«
Und der Funke wurde Flamme.
»Scylvendi!«, brüllten sie. »Scylvendi!«
Der Platz hinter dem Zahn war vor der Ankunft des Heiligen Kriegs eine Art Markt gewesen. Eine Fläche von etwa zwanzig mal zwanzig Längen erstreckte sich vom Fuß des Wachtturms bis dorthin, wo die Straße zum Hafen begann. Ein altes Mietshaus in ceneischer Bauweise, in dessen Erdgeschoss sich verfallene Läden und Ställe befanden, stand am Anfang dieser Straße. Cnaiür hatte sich in einem der kleineren Gebäude gegenüber versteckt. Wenn er sich anstrengte, konnte er Waffen funkeln sehen, die der riesigen Menge gehörten, die sich im Mietshaus drängte. Ein kleines Fenster in der Westwand gewährte ihm einen Blick über den staubigen Marktplatz, aber da der Mond im Westen aufging, waren die Innenseite der Stadtmauer und der Wachtturm kaum mehr als tiefschwarze Monolithe.
Hinter ihm zählte Troyatti den Hemscilvara flüsternd die Schwächen von Rüstung und Taktik der Nansur in allen Einzelheiten auf, wie Cnaiür sie ihm, Sanumnis, Tirnemus und Skaiwarra zuvor beschrieben hatte. Die Rufe von Offizieren der Nansur drangen durch den klaren Nachthimmel zu ihnen: Conphas traf letzte Vorbereitungen.
Wie von Cnaiür erwartet, hatten die Kaiserlichen Ordensleute sich geweigert, ihre Frachtschiffe zu verlassen. Also konnten sie nur den Hafen kontrollieren. Ohne die eintreffenden Truppen – die Kolonne Faratas, die Kolonne Horial und die legendäre Kolonne Mossas – aus den Augen zu lassen, hatte Cnaiür Mannschaften in den Gebäuden rings um den Zahn verteilt, die mit so vielen Hämmern und Spitzhacken bewaffnet waren, wie sich hatten auftreiben lassen. Binnen weniger Stunden hatten sie hunderte Wände
Weitere Kostenlose Bücher