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Der Tee der drei alten Damen

Der Tee der drei alten Damen

Titel: Der Tee der drei alten Damen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Friedrich Glauser
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sich auf einer menschlichen Basis verständigen kann.«
    »Ist Fräulein Lemoyne noch nicht gekommen?« erkundigte sich O'Key, und seine Stimme klang sorgenvoll.
    »Nein«, sagte der Advokat, lud mit einer Handbewegung die anderen zum Sitzen ein und nahm selbst oben am Tisch Platz. Man merkte, daß er schon oft Sitzungen präsidiert hatte, und war schweigend damit einverstanden, daß er den Rat leitete.
    »Fräulein Lemoyne wäre uns nützlich gewesen«, sagte O'Key noch, aber der Advokat zuckte nur bedauernd die Schultern:
    »Dann werden wir uns ohne sie behelfen müssen, aber vielleicht kommt sie noch«, fügte er tröstend hinzu.
    Es kratzte an der Türe, ein Winseln ertönte, Ronny begehrte Einlaß. Aber bevor noch einer der Anwesenden aufgestanden war, um den Hund einzulassen, ging die Türe auf, Maman Angèle erschien auf der Schwelle, und neben ihr drängte sich Ronny durch. Gesittet, wie es seine Art war, wenn er sich in Gesellschaft befand, schritt er auf den Professor zu, ließ sich die Pfote schütteln und legte sich zu den Füßen des alten Herrn. Um die anderen Anwesenden kümmerte er sich nicht.
    »Professor«, begann der Advokat, »Sie sind in Gefahr, das wissen Sie. Abgesehen von der Verhaftung, die ein tatendurstiger Staatsanwalt gegen Sie durchsetzen will, sind Sie, wie mir scheint, noch von anderen Feinden bedroht. Das scheint mir wenigstens aus dem Bericht hervorzugehen, den Herr O'Key uns vor Ihrem Erscheinen abgelegt hat. Wäre es da nicht gescheiter, Sie würden uns ganz einfach und sachlich etwas von jenen Leuten mitteilen, die, ob mit Recht oder mit Unrecht, Sie aus dem Wege schaffen möchten.«
    Dominicé schwieg. Er hatte die Blicke auf seine gefalteten Hände gesenkt, die auf der Tischplatte lagen, und blieb reglos in dieser Stellung sitzen, als sei er erstarrt.
    Isaak bohrte weiter. Der Professor müsse doch zugeben, fuhr er fort, daß die ganze Situation unhaltbar geworden sei. Er, Isaak, sei überzeugt, daß sich der Professor nichts habe zuschulden kommen lassen, nichts, was mit dem Ehrbegriff unvereinbar sei, daß es sicher, wenn der Professor nur sprechen und erklären wolle, einen Ausweg aus der Situation geben müsse. Aber es sei nichts zu machen, solange sich der Professor in Schweigen hülle. Dann wartete der Advokat wieder eine geraume Weile. O'Key, der dem Professor gegenübersaß, schien es plötzlich, als beobachte Dominicé hinter den gesenkten Lidern den Assistenzarzt Wladimir Rosenstock, der neben ihm saß, zwischen ihm, dem Professor, und dem Advokaten. Aber es war vielleicht nur eine Täuschung.
    »Darf ich Fragen stellen?« fragte Isaak plötzlich scharf. »Wir kommen sonst nicht weiter.«
    »Bitte«, sagte der Professor.
    »Ich habe auf einem Umweg erfahren, daß Sie eine Zeitlang in sehr unsicheren finanziellen Verhältnissen gewesen sind, daß man diese Tatsache benützt hat, um einen Druck auf Sie auszuüben, daß es Ihnen aber gelungen ist, diesen Druck, diese Erpressung, wenn Sie lieber wollen, abzuschütteln; nun möchte ich gerne wissen, wer Ihnen die Möglichkeit gegeben hat, sich von Ihren Verpflichtungen zu befreien.«
    »Gut«, sagte der Professor und hob den Blick, ließ ihn einen Augenblick auf Natascha ruhen, lächelte ihr zu und drohte ihr mit dem Finger. »Fräulein Kuligina hat also nicht dicht gehalten. Sehen Sie, ich habe es mir ja immer gedacht, Sie haben im Grunde gar kein Talent zur Spionin. Eine Spionin sollte kein Erbarmen kennen, besonders wenn Sie aus Überzeugung handelt. Dies alles sage ich nur«, wandte sich der Professor an Isaak, »weil ich kein Freund des unbestimmten ›man‹ bin. ›Man‹ ist in diesem Falle ein gewisser Baranoff, der mir in einem denkwürdigen Gespräch nahegelegt hat, für ihn zu arbeiten: er meinte damit, wie Sie vielleicht schon wissen, ich solle den Sekretär von Sir Bose, der sich für meine Arbeiten interessierte, so beschäftigen, daß er seine Diktate einem harmlosen Menschen, einem gewissen Nydecker, zum Abschreiben übergeben würde. Ich muß gestehen, daß ich bezweifelte, daß sich dies bewerkstelligen lassen würde. Aber merkwürdigerweise ging es. Crawley wurde also mein Sekretär, und ich wurde dafür bezahlt. Ganz begriffen habe ich diese Sache nie, und Crawley sprach auch nur selten von dieser Sache.«
    »Ich hatte eine große Arbeit unternommen, über den Einfluß der Gifte auf die Veränderung der menschlichen Seele, und hatte darum keine Zeit, mich mit Politik zu beschäftigen. Hauptsache war,

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