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Der Tee der drei alten Damen

Der Tee der drei alten Damen

Titel: Der Tee der drei alten Damen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Friedrich Glauser
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daß ich nun in Ruhe arbeiten konnte, ohne Sorgen, meine Schulden hatte ich bezahlt, was wollte ich mehr. Dies ging eine Zeit so fort, bis ich eines schönen Tages einen Besuch erhielt.«
    Der Professor machte eine Pause und sah die Anwesenden der Reihe nach an. O'Key hörte mit starrem Gesicht zu, Natascha schien sich zu langweilen, sie saß neben dem jungen Jakob Rosenstock. Wladimir, der Assistenzarzt, saugte stumm an seiner ausgegangenen Zigarre und hatte seine Augen unter den schweren Lidern verborgen.
    »Bis ich eines schönen Tages einen Besuch erhielt. Das war acht Tage vor Crawleys Tod. Da läutete es, meine Haushälterin war, wie gewohnt in der letzten Zeit, nicht da und ich ging öffnen. Ein junger Mann stand vor mir, seine Gesichtshaut war sehr weiß, das fiel am meisten auf, die Züge waren regelmäßig. Ich bat ihn, näherzutreten. Er nahm mir gegenüber Platz, es war tiefer Nachmittag, aber obwohl es draußen noch hell war, hatte ich doch die Läden geschlossen. Sie kennen ja meine Gewohnheiten…«, er sah abwechselnd O'Key und Natascha an. Die beiden nickten. »Er nahm mir gegenüber Platz, ich saß im Schatten und sein Gesicht war hell beleuchtet von meiner Schreibtischlampe.«
    Im Nebenzimmer schrillte eine Klingel. Der Advokat verzog verärgert das Gesicht, da stand schon Wladimir auf, ging mit seinen merkwürdig schleifenden Schritten auf die Türe des Nebenzimmers zu, indem er sagte: »Es ist wahrscheinlich für mich. Ich hab einen schweren Fall, im Spital, Lungenembolie, eigentlich hätte ich gar nicht kommen dürfen, aber…«, da unterbrach ihn ein erneutes Schrillen, er schloß die Türe hinter sich, O'Key versuchte, die gedämpften Worte des Arztes zu erhaschen, aber es waren nur einsilbige Ausrufe. Dann hörte er das klickende Einhängen des Hörers, Wladimir kehrte zurück , irgend etwas fiel O'Key an ihm auf, etwas ganz Nebensächliches, er hätte selbst nicht sagen können, was es war, er hatte auch keine Zeit dazu, denn Wladimir entschuldigte sich höflich: Er könne leider nicht länger verweilen, übrigens sei seine Anwesenheit ja nicht von großer Wichtigkeit, er müsse nun doch ins Spital. Er schüttelte Hände und verschwand schleifend. Ronny knurrte ihm nach.
    »Ja, wo war ich?« fragte der Professor. »Bei meinem Besuch, nicht wahr? Er stellte sich vor als George Whistler. Wie soll ich ihn beschreiben? Ich habe schon gesagt, daß seine Gesichtshaut sehr weiß aussah, nicht bleich etwa, nein, weiß – wissen Sie, auf einer Reise in Marokko habe ich einmal den Scheich eines Berberstammes kennengelernt, der hatte die gleiche Hautfarbe. Und das war merkwürdig, denn der Mann brachte doch den ganzen Tag an der Sonne zu und war weiß geblieben. Übrigens hatte dieser Whistler, wie ich ihn damals nannte, auch sonderbar blasse Augen, aber dazu standen die Haare im Widerspruch, die waren bläulich schwarz. Merkwürdige Kombination. Es mußte etwas mit der Pigmentierung bei diesem Manne nicht in Ordnung sein.«
    »Wollen Sie nicht zur Sache kommen, Professor«, mahnte Isaak und blickte hernach O'Key an. Sie blinzelten sich unmerklich zu. Es war klar, daß der Professor irgendeinen Grund hatte, zu schwatzen, Zeit zu vertrödeln, es sah aus, als warte er auf etwas, das sich ereignen sollte.
    »Ja, ja«, sagte Dominicé, »ich komme schon zur Sache. Whistler erklärte mir, er habe auf Umwegen erfahren, daß ich in einer schwierigen finanziellen Situation sei, und daß er gekommen sei, mir zu helfen. Merkwürdig, dachte ich, daß sich so viele Leute um meine Sanierung kümmern, aber das sagte ich nicht laut, sondern dachte es nur. Man soll Leute mit guten Absichten nicht vor den Kopf stoßen. Kurz und gut, Whistler bot mir zehntausend Franken an, es stehe noch mehr zu meiner Verfügung, wenn ich mehr brauchen sollte. Bedingungen habe er keine zu stellen, sagte er, aber eine Bitte habe er an mich. Was das denn für eine Bitte sei, wollte ich wissen. Da müsse er weiter ausholen. Whistler sei sein Pseudonym, sagte er, eigentlich sei er ein indischer Fürst, der aus seinem Lande vertrieben worden sei, weil man dort Petrol gefunden habe. Welcher ›man‹? wollte ich wissen, und ich fragte mich einen Augenblick, ob ich es mit einem Größenwahnsinnigen zu tun habe oder einem Hochstapler. Nun, beides konnte ich erst entscheiden, wenn ich das Geld in der Hand hatte. Ich wollte es gern annehmen, es war ungemütlich, von einem Schuft wie diesem Baranoff abzuhängen, und dieser Whistler schien

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