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Der Tee der drei alten Damen

Der Tee der drei alten Damen

Titel: Der Tee der drei alten Damen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Friedrich Glauser
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entschieden sympathischer zu sein. Was aber, fragte ich ihn, was hatten diese Ölquellen mit meiner Sanierung zu tun? Das sei doch ganz einfach, sagte der indische Fürst, er habe erfahren, daß ich mit Crawley befreundet sei, dem Sekretär des Delegierten seines Staates, und man habe mich doch in der Machination gebraucht, um in die Entwürfe und diplomatischen Dokumente des Sir Bose Einblick zu gewinnen. Dazu hätte ich doch Crawley beschäftigen müssen. Er habe nur eine Bitte, sagte der Fürst, ich solle von der Kombination zurücktreten, Crawley womöglich aufklären, dieser junge Mann gefalle ihm, er scheine ein Gentleman zu sein, aber er wisse sicher nicht, zu welchen Machinationen er sich hergebe. Ich solle Crawley aufklären. Und das tat ich auch, später, einen Tag darauf. Übrigens mußte ich auf dem Crédit Lyonnais mir ein Konto eröffnen lassen, Whistler, oder wenn Sie lieber wollen, der Fürst, ließ mir zwölftausend Franken überweisen. Damit konnte ich Baranoff los werden – ja, los werden.« Der Professor schwieg.
    »So hätten wir die Erklärung für zwei Vorkommnisse, die zu meiner Kenntnis gelangt sind. Am Abend von Crawleys Tode, also am 23. Juni, hat sich Crawley mit seinem Vorgesetzten gezankt und ist mit einer Mappe, die scheinbar wichtige Dokumente enthielt, zu Ihnen gekommen. Wissen Sie, Professor, wohin diese Mappe verschwunden ist?«
    Dominicé saß wieder da, starr, die Augen auf seine gefalteten Hände gesenkt. Etwas, das sich nicht näher bezeichnen ließ, etwas in seiner Haltung wirkte unnatürlich und verkrampft.
    »Die Mappe?« wiederholte der Professor. (Ah, dachte O'Key, jetzt weiß ich, was seine Haltung ausdrückt: ein Lauschen, ein verkrampftes Lauern, ob nicht bald die erwartete Unterbrechung kommt.) »Ich weiß nichts von einer Mappe«, sagte Dominicé und lehnte sich im Stuhl zurück. Er blickte von einem zum andern, lange blieb sein Blick auf Jakob und Natascha haften, die ziemlich eng nebeneinander saßen. O'Key war hellwach. Jetzt, dachte er, jetzt kommt es. Da fuhr auch schon Ronny unter dem Tisch hervor, sprang zum Fenster, legte die Vorderpfoten auf den Sims und bellte in die stille Nacht hinaus.
    »Was hat der Hund?« fragte der Professor und machte Miene, aufzustehen.
    »Bleiben Sie sitzen!« herrschte ihn O'Key an. Darauf stand er selber auf, ging zum Fenster, tätschelte Ronnys Kopf und beugte sich hinaus. Das Fenster ging auf einen seitlichen Teil des Gartens, die breite Autostraße war nur zu sehen, wenn man sich weit aus dem Fenster beugte und nach rechts blickte. Dann schimmerte sie wie ein breiter schwärzlicher Bach durch die eisernen Stäbe des Zaunes, die den Garten gegen außenhin abschlossen. Im Garten stand eine dichte Nacht, eine lautlose und schwüle, das Blätterdach einiger hoher Bäume ließ den Schimmer der Sterne nicht durch. O'Key sah nichts. Aber Ronny war nicht zu beruhigen, er bellte nicht mehr laut zwar, doch wuffte er unterdrückt und sein Fell sträubte sich, genau, wie es sich am Morgen gesträubt hatte, als vor Madges Fenster in Bel-Air die singende Stimme erklungen war.
    »Such, Ronny, such!« feuerte O'Key den Hund an. Ronnys Körper zog sich zusammen, die Vorderbeine suchten einen Halt auf dem glatten Fensterbrett – und dann verschwand der Körper des Hundes.
    Während O'Key lauschend am Fenster stehenblieb, gingen ihm viele Gedanken durch den Kopf. Er dachte an Madge. War ihr etwas zugestoßen? Oder war sie etwa im Garten, und hatte Ronny ihre Nähe bemerkt? Nein, dazu war der Hund zu aufgeregt gewesen. Was erwartete der Professor? O'Key schielte zu ihm hinüber, Dominicé hatte die Handballen auf die Tischplatte gestemmt, so, als wolle er aufspringen, aber merkwürdigerweise sah er nicht nach dem Fenster, sondern nach der Türe. Einen Augenblick überlegte O'Key, ob er nachsehen sollte, wer vor der Türe stand, dann gab er es auf, denn jetzt wurde es plötzlich im dunklen Garten lebendig. Ronny mußte irgend jemanden auf gestöbert haben, er bellte laut und verärgert, dann hörte O'Key eine Männerstimme laut fluchen. Der Advokat war neben ihn getreten.
    »Was ist da draußen los?« fragte er. O'Key zuckte mit den Achseln. »He, André«, rief Isaak, »was ist los?« Die Stimme des Chauffeurs tönte aus der Tiefe des Gartens:
    »Irgend jemand, der sich hier versteckt hat, der Hund hat ihn aufgestöbert. Merde…« rief er noch, dann war Stille, auch Ronny war nicht mehr zu hören.
    »He, André!« rief der Advokat. Keine

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