Der Tee der drei alten Damen
hatte.
»Ich dachte«, sagte Isaak, »Sie würden den Professor mitbringen?«
»Das hat Ihr junger Bruder übernommen«, antwortete O'Key. »Wir waren heute beide in der letzten Vorlesung unseres Professors, und ich habe Jakob gebeten, sich des alten Herrn anzunehmen. Ich denke, er wird ihn bald herbringen. Übrigens hat es merkwürdige Zwischenfälle gegeben in dieser Vorlesung.
»Welche?«
»Fliegenschwärme«, sagte O'Key, »Fliegenschwärme und eine klingende Münze und einen höchst modern konstruierten Giftpfeil.« Und er erzählte kurz die Vorkommnisse.
»Na«, meinte der Advokat, »wir werden heute mindestens zwei Giftkenner bei uns begrüßen können. Mein Bruder hier«, er wies auf Wladimir, der dabei errötete wie ein belobter Schuljunge, »interessiert sich nämlich auch gewaltig für Gifte. Er hat sich in einem einsamen Gartenhaus ein Laboratorium eingerichtet und kocht und braut dort Giftpflanzen. Auch einen Garten hat er sich angelegt. Erzähl mal dem Herrn da, was du alles kultivierst.«
Aber Wladimir brummte nur verlegen etwas von »kleinen Versuchen« und »nicht allzugroße Bedeutung«.
»Tu doch nicht so bescheiden«, sagte Isaak, »er ist nämlich schüchtern wie ein kleines Mädchen, wenn man auf sein Steckenpferd zu sprechen kommt. Du hast mir doch einmal von einem Hexenrezept vorgeschwärmt und mir geklagt, du hättest niemanden, an dem du es ausprobieren könntest.«
»Ach, red' doch nicht so viel«, protestierte Wladimir ärgerlich, »das war doch nur ein Witz. Gewissermaßen ein psychologischer Witz.«
»Na, wenn du nicht reden willst…«, sagte der Advokat, »dann laß es bleiben.« O'Key blickte eine Weile schweigend auf den kleinen, rundlichen Assistenzarzt, schüttelte dann, in Gedanken versunken, den Kopf. ›Das ist eben immer so‹, dachte er bei sich, ›in derartigen Affären tauchen von Zeit zu Zeit scheinbar neue Spuren auf, die zu nichts führen. Dieser fette Mann da? Der ist nur verlegen, weil ihn der Bruder wie einen Schulbuben lobt. Komische Leute, diese beiden.‹
Da klopfte es wieder, und herein schritt Professor Dominicé in seinem langen grauen Gehrock, die Plastronkrawatte mit einer Perle verziert. Zwei Gestalten waren hinter ihm sichtbar, die an der Türe stehen blieben, während Dominicé mit raschen Schritten das Zimmer durchquerte. Die drei am abgeräumten Speisetisch standen auf.
»Sehr erfreut, Sie zu sehen, mein lieber Journalist, Sie haben uns heut nachmittag ein wenig plötzlich verlassen, aber das schadet nichts. Sie scheinen so besorgt um mein Wohlergehen zu sein, daß ich mich eigentlich bei Ihnen entschuldigen sollte. Einmal habe ich Ihnen nicht gerade sanftmütig geantwortet. Wissen Sie noch?«
O'Key nickte schweigend, während er dem Professor die Hand schüttelte. Dann machte er sich los und ging auf Natascha zu. »Haben Sie sich auf unsere Seite geschlagen, Fräulein Kuligin?« Und er lächelte sie an. »Was macht Zweiundsiebzig?«
»Was?« fragte Jakob, und vor Erstaunen blieb ihm der Mund offen, was einen törichten Eindruck machte, »was, ihr kennt euch?«
»Natürlich kennen wir uns«, sagte Natascha ungeduldig, und sie gab O'Key die Hand. »Wir haben oft miteinander zu tun gehabt.« O'Key lachte. »Zu tun gehabt ist hübsch gesagt«, meinte er. Da unterbrach der Professor die Begrüßung.
»Ich wollte meinen Augen nicht trauen«, sagte er, »als mein junger Freund Jakob mich zwang, Fräulein Kuligin abzuholen. Aber als sie dann zu uns in den Wagen stieg, haben wir Frieden geschlossen. Nicht wahr? Fräulein Kuligin hat einmal bei meiner Folterung als Folterknecht assistiert. Aber ihr gutes Herz ist mit ihr durchgegangen und sie hat sich dann fast wie eine Krankenschwester benommen. Nicht wahr, Mademoiselle?«
Natascha hatte ihre Sicherheit wiedererlangt, da hörte man des Advokaten Stimme aus dem Hintergrund:
»Du bist unhöflich, Jakob, du solltest mich wenigstens deiner Freundin vorstellen. Wer oder was ist sie?«
Jakob wurde rot, aber Natascha befreite ihn aus seiner Verlegenheit. Sie schritt auf den Advokaten zu und sagte mit einem Lächeln, das sehr angenehm wirkte:
»Ich hoffe, Ihr politischer Horizont ist nicht zu eng, und Sie werden eine Kommunistin bei sich begrüßen können.«
Isaak lächelte ebenfalls, schüttelte die dargebotene Hand und erwiderte:
»Wenn Sie auf seiten unseres Professors stehen, sind Sie mir natürlich willkommen. Übrigens sind politische Ansichten wohl nicht so wichtig. Hauptsache ist, daß man
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