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Der Tee der drei alten Damen

Der Tee der drei alten Damen

Titel: Der Tee der drei alten Damen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Friedrich Glauser
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Ronny, der rund um das Motorrad kläffend tanzte, mit seinen Pfoten auf O'Keys Overall einen Trommelwirbel schlug, kurz, sich ganz verrückt gebärdete. O'Key wußte nicht, war es Freude, war es Angst, die den Hund so außer Rand und Band brachte. Er versuchte zu fragen, wo denn die Meisterin sei, ob sie etwa mit ihrem Wagen hier herausgefahren sei? Ronny wuffte, erzählte eine lange Geschichte… und da war es, daß O'Key bedauerte, die Airedalesprache nicht besser studiert zu haben.
    Besonders aber war es ein Gedanke, der O'Key davon abhielt, sich um Madge Lemoyne zu kümmern. Ihn plagte nämlich plötzlich der Verdacht, daß Madge sich mit ihrem früheren Freunde, mit Dr. Thévenoz, hätte treffen können. Das würde einiges erklären: ihr merkwürdig überhebliches Wesen heute morgen, als er ihr von seinen Sorgen gesprochen hatte, ihr kühler Abschied, als sie sich zu dem sterbenden Nydecker begeben hatte, und dann: was hatte Madge die letzten Tage getan? Thévenoz hatte doch Ferien genommen? Hatten sie sich getroffen? O'Key war unruhig. Er merkte wohl, daß Ronny ihn irgendwohin führen wollte, ihn sanft an der Hose packte und versuchte, ihn mit sich zu ziehen. Aber O'Key hatte keine Lust, hinter Madge her zu spionieren. Mochte sie tun, was sie für richtig fand. Er nahm den Hund, setzte ihn hinten auf den Soziussitz, saß auf, gab Gas, Ronny begriff augenblicklich, was von ihm verlangt wurde, und legte seine Vorderpfoten auf die Schultern des Mannes und seine Schnauze kitzelte O'Key am Ohr. So fuhren die beiden weiter nach Jussy, kehrten über Presinge zurück. Und dort, ein wenig außerhalb des Dorfes, ereignete sich ein kleiner Zwischenfall, der O'Key immerhin zu denken gab.
    Sie fuhren an einem alten Hause vorbei, einem Landhaus in schönen Proportionen, wie sie zu Ende des achtzehnten Jahrhunderts gebaut wurden; das Haus schien unbewohnt, die Fensterläden waren geschlossen, der Garten verwildert und ungepflegt. Als sie daran vorbeifuhren, wurde Ronny auf dem Hintersitz aufgeregt. Er bellte laut in O'Keys Ohr, kratzte mit seinen Pfoten auf den Schultern des Fahrers, nahm dann plötzlich einen Satz und sprang ab, im Fahren. Er überkugelte sich im Straßenschmutz (der Regenguß vom Nachmittag war noch nicht aufgetrocknet) und blieb dann stehen, um das geschlossene Haus gründlich und verärgert anzubellen. Er mochte wollen oder nicht, O'Key mußte halten, absteigen und dem Hunde folgen.
    Er schritt ums Haus, gefolgt von Ronny, der ihm manchmal vorauslief, auf dem Boden schnupperte, leise klagend, dann wieder einen geschlossenen Laden lange anstarrte. O'Key rüttelte an der Klinke der Hintertür, aber sie war verschlossen. Das Haus lag tot da.
    Da entschloß er sich endlich, weiterzufahren. Ronny schien sich beruhigt zu haben, denn er sprang ohne weiteres auf den Hintersitz und machte es sich dort wieder bequem. Als O'Key noch einmal zurücksah, fiel ihm plötzlich etwas auf, so daß er abstoppte, um seine Beobachtung zu kontrollieren. Er war, ohne sich dessen zu achten, von Jussy aus über Juvigny gefahren, hatte somit fast einen Kreis beschrieben. Und was er in der Ferne sah, vielleicht dreihundert Meter hinter dem verschlossenen Haus, war die Hinterfront des Landsitzes de la Rive, in dem jener George Whistler wohnen sollte.
    »Wem gehört denn dieses verschlossene Haus?« fragte er einen vorübergehenden Arbeiter.
    »Das gehört zum Gut der de la Rive«, antwortete der Mann.
    »Und es wohnt jetzt niemand drin?« wollte O'Key noch wissen.
    »Ja, wissen Sie«, sagte der Mann und benützte die Gelegenheit, sich eine Zigarette zu drehen, »vermietet ist es schon, das Haus. Aber die Leute kommen nur manchmal heraus. Besonders am Abend. Dann merkt man aber nicht viel von ihnen. Sie müssen viel Gäste haben, es kommen allerlei Herrschaften, in Autos, auf Rädern, zu Fuß. Aber die Läden bleiben geschlossen. Manchmal hört man ein wenig Musik, eine Geige und ein Harmonium. Auch Grammophon hört man. Und am nächsten Tag ist das Haus wieder still und leer. Wir haben uns schon oft gewundert. Aber die Leute bleiben für sich, da geht uns das Ganze wohl nicht viel an. Wissen Sie, wir hier auf dem Dorfe, wir klatschen schon gerne, aber…«
    »Danke«, sagte O'Key und gab wieder Gas. Im Fahren schüttelte er den Kopf. Gab der Maharaja in dem kleinen Haus intime Feste? Oder hatte das Haus mit den Bewohnern des De la Rive-Gutes nichts zu tun? Warum hatte Ronny ihn auf das Haus aufmerksam gemacht? War Madge darin

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