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Der Tee der drei alten Damen

Der Tee der drei alten Damen

Titel: Der Tee der drei alten Damen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Friedrich Glauser
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und unklar vor, er gab seiner Müdigkeit die Schuld, versuchte sich aufzurappeln, beugte sich zum alten Colonel und raunte ihm zu:
    »Glänzend sieht er aus, Ihr Fürst, ganz wie Sie behauptet haben: Krishnamurti, der Heiland der Theosophen, mit einem kleinen Schuß Arsène Lupin, sympathisch, entschieden, und gar nicht farbig. Er ist ja weiß, wie sie und ich.«
    »Schweig, Simp«, zischte Charles böse. »Hör lieber zu. Er ist der einzige, der euch aus dieser verzweifelten Situation retten kann.« O'Key wagte es, diese Behauptung zu bezweifeln.
    »Es ist natürlich unmöglich«, sagte der Maharaja, »daß der Tote in diesem Hause bleibt. Er ist gekommen, um eine Botschaft zu bestellen, aber der Tod war schneller. Für Sie, verehrter Meister, wäre es gefährlich und peinlich zugleich, wenn die Polizei Ihre Anwesenheit in diesem Hause, auf dem Schauplatz eines Mordes, feststellen müßte. Darum schlage ich vor, den Toten in mein Auto zu schaffen und die Leiche irgendwo vor der Stadt, an einem einsamen Orte, abzulegen. Wir können es dann getrost der offiziellen Polizei überlassen, dieses neuerliche Verbrechen aufzuklären. Vielleicht ist einer der Anwesenden so freundlich, mir bei diesem Geschäft zu assistieren. Ich selber berühre nicht gerne Leichen, meine Religion hat in dieser Beziehung ziemlich scharfe Vorschriften. Ich bin zwar ziemlich vorurteilslos geworden, aber immerhin…«
    Hier wurde der Vortrag ihrer Hoheit unterbrochen. Natascha erhob sich von ihrem Platze und erklärte (ihre Augen glänzten während sie sprach und ihr Blick kam nicht los vom Gesichte des Maharajas) sie komme als einzige in Betracht, der Advokat schalte von vornherein aus, O'Key komme nicht in Frage, da er es seinem Freunde, dem Kommissar Pillevuit schuldig sei, reine Hände zu bewahren. Und sonst? Sie sehe niemanden als sich selbst; sie sei frei, diese Angelegenheit scheine ja unpolitisch zu sein, also dürfe sie handeln, wie sie es für gut finde. Sie sei bereit.
    »Und wenn sie nun den Maharaja mit ›Towaritsch‹ anredet!« flüsterte der alte Colonel besorgt. O'Key beruhigte ihn.
    »Sie wird das nicht tun«, sagte er, »denn wahrscheinlich werden sich die beiden der französischen Sprache bedienen und in dieser Sprache hat die gute Natascha die Auswahl zwischen zwei Worten: ›Citoyen‹ oder ›Camarade‹. Und ich glaube nicht, daß der Fürst etwas dagegen hat, der ›Camarade‹ einer hübschen Frau zu sein.«
    »Mach keine Witze, Simp«, sagte streng der Mann, der Kammerdiener war und Colonel.
    Die Situation klärte sich. Jakob, der Gymnasiast, hatte zuerst gegen das Mitgehen Nataschas energischen Protest eingelegt. Ihm gefiel der verklärte Blick nicht, mit dem seine Freundin den Fürsten ansah. Aber da sich Natascha nicht umstimmen ließ, da der Fürst äußerte: »Es wird mir ein Vergnügen sein…« war weiter nichts zu erinnern.
    »Und das alles«, sagte der junge Fürst, »all diese Verwicklungen, all diese Morde haben nur einen Grund: Meine Petroleumquellen. Am liebsten ließe ich sie verschütten. Aber nicht einmal das kann ich tun, ich bin machtlos.«
    »Verzeihung, Hoheit«, sagte O'Key, »es steckt noch eine andere Geschichte dahinter. Es ist vielleicht reiner Zufall, daß zwei grundverschiedene Angelegenheiten sich hier in Genf gekreuzt haben…« Er schwieg und dachte: ›Ich red einen bösen Kohl zusammen: Angelegenheiten, die sich kreuzen!‹ –
    »Ah, da fällt mir etwas ein«, sagte der Maharaja von Jam Nagar. »Kennt einer der Anwesenden eine Dame, sie heißt, warten Sie einmal…« er kramte in seiner Hosentasche, zog eine zerknitterte Karte hervor und buchstabierte: »sie heißt Sorel… ja, Sorel, und sie ladet mich zum Tee ein…«
    »Oh«, rief Natascha, »gehen Sie nicht, gehen Sie nicht!«
    »Zum Tee…« sagte der Professor verträumt, »ich würde Ihnen raten, zu gehen. Wenn Sie achtgeben, wird Ihnen nichts geschehen…«
    »Alte Damen, die Tee trinken…« nickte O'Key. »Und wo findet dieser Tee statt, Hoheit?«
    »Das ist ja das Merkwürdige«, sagte der Maharaja. »Die Dame Sorel gibt keine Adresse an… oder warten Sie, doch da auf dem Kuvert steht der Absender: A. Sorel, Rue Verdaine 12.«
    »Dann können Sie ruhig gehen, Camarade«, sagte Natascha, »ich werde Sie zu schützen wissen.« Nataschas Stimme war unnötig pathetisch. O'Key lachte leise in sich hinein. »Sehen Sie, Colonel«, flüsterte er. »Sie hat ihn nur Camarade genannt.« Dann empfahl sich O'Key. André, der Chauffeur,

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