Der Tee der drei alten Damen
gehen.«
»Gut«, sagte Sir Bose, und man merkte es ihm an, daß er sich unbehaglich fühlte, »dann werd ich in eurer Wohnung auf euch warten. Weißt du übrigens, was der Professor macht?«
»Der Professor? Der Professor hat sich versteckt. Der Professor hat Angst vor den Fliegen, hat Angst vor dem Gesumm. Der Professor kommt nicht mehr. Aber«, die Stimme wurde triumphierend, »aber der andere…«, der Junge zeigte zum Fenster des Hotels hinauf, »der andere bekommt seine Strafe. Er hat mich geprügelt, einmal, wissen Sie? Er bekommt seine Strafe, nicht wahr? Zwei haben mich beleidigt und geprügelt, der eine hat sterben müssen, der andere muß ins Gefängnis, nicht wahr? Mich darf man nicht anrühren, nicht wahr?«
Sir Bose schien zu frösteln. Er schüttelte sich. Der Junge ging ihm offenbar auf die Nerven.
»Leb wohl«, sagte Sir Bose kurz, nickte, ohne dem Jungen die Hand zu reichen, riß die Tür des Wagens auf, stieg ein und fuhr ab. O'Key zögerte. Sollte er dem Jungen folgen? Er trat aus dem dunklen Torweg, der Junge sah ihn, sein Gesicht verzerrte sich vor Angst, er machte kehrt und lief in langen Sätzen davon. O'Key schüttelte den Kopf. »Papa Martinet ist mir augenblicklich wichtiger«, murmelte er. »Eigentlich könnte ich heute abend eine Sammlung von Schlagzeilen anlegen. Wie klänge das: ›Angloindischer Diplomat und Hexensohn. Begegnung um Mitternacht.‹ Schön, nicht? Ich möchte nur gern wissen, ob Baranoff sich wirklich hat einseifen lassen…« Er ging weiter und da war er auch schon vor der Brasserie angelangt, wo er am Morgen den interessanten Andeutungen des Herrn Staatsrates gelauscht hatte. O'Key trat ein.
9
Herr Staatsrat Aristides Martinet saß im Hintergrund des schon ganz geleerten Saales einem Manne gegenüber, der den weißen Anzug eines Koches trug. In der linken Mundecke des Herrn Staatsrates baumelte eine Meerschaumpfeife, aus der alle drei Sekunden kurze, kleine Rauchwolken stiegen. Der Mann im Kochdreß verteilte mit affenartiger Geschwindigkeit Karten, die Herr Martinet mit Gemütlichkeit zwischen seine dicken Finger steckte.
O'Key durchquerte den Saal (die Stühle standen schon auf den Tischen, die meisten Lampen waren ausgelöscht, nur über Herrn Martinets Glatze leuchteten noch drei Tulpenlampen) und blieb vor den Spielern stehen. Herr Martinet, in Hemdsärmeln, blickte auf.
»Äpfuuu«, sagte er zur Begrüßung, »was ist los, Sie Perle unter den Journalisten? Was wollen Sie? Mich in meinem Pikett stören? Setzen Sie sich und halten Sie vorerst Ihren Mund. Sie waren heut morgen beschwipst… Keine Widerrede. Sie waren beschwipst. Protest nützt nichts. Sie bekommen vorläufig auch nichts zu trinken. Sie dürfen mir beim Spiel zusehen. Pikett ist ein altes ehrwürdiges Spiel, merken Sie sich das. Man spielt es zu zweit, auch das ist ein Vorteil. Die Hauptsache, junger Freund, beim Pikett, ist das Abwerfen. Sehen Sie, hier liegen fünf Karten, die darf ich aufnehmen, sobald ich mich entschlossen habe, fünf Karten, die ich nicht brauchen kann, aus meinem Spiele auszumerzen. Ohne Bedenken opfere ich alle meine Karos, denn Pik ist immer meine Farbe gewesen. Und auch die Cœurs kann ich nicht brauchen…« Herr Martinet klatschte drei Karos und zwei Cœurs auf den Tisch, hob die Ecken der vorrätigen und blinzelte mit kindlicher Freude. Es waren fünf Piks.
»Sagen Sie mir, Patron«, wandte sich Herr Martinet an den Mann im Kochdreß, »wo wollen Sie diesmal liegen?« Seine Stimme wurde zärtlich. »Sie sind ›capot‹ lieber Freund, Sie machen nicht einen Stich. Ich habe sieben Karten in Pik mit einer hohen Septim, sieben und siebzehn macht vierundzwanzig und drei Asse sind siebenundzwanzig… siebenundzwanzig«, und Herr Martinet begann mit sanften Bewegungen eine Karte nach der anderen auf den Tisch zu legen und zählte dazu: »achtundzwanzig, neun… sechzig, einundsechzig macht siebenzig mit dem letzten und vierzig, weil Sie ›capot‹ sind, macht hundertundzehn… Wir sagen hundertundzehn und schreiben sie auch, was mit den hundertundzwanzig, die der Herr Staatsrat schon früher gemacht hat, unzweifelhaft zweihundertunddreißig macht, worauf sich der Herr Staatsrat bedankt und noch eine Flasche Neuenburger leeren wird, die Sie, Patron, wohl oder übel werden stiften müssen. Dann können Sie uns allein lassen, der junge Mann hier platzt vor Neuigkeiten, die Sie nichts angehen, Patron, Sie könnten ein verkappter Spion sein, nicht wahr?… Hähä,
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