Der Tempel der Ewigkeit
Tochter des königlichen Paares gefreut und Nefertari beste Wünsche geschickt.
Die sanfte, schmeichelnde Abendsonne überzog Nefertaris Haut mit einem goldenen Schimmer. Irgendwo erhoben sich Flötentöne in die Lüfte, Kuhhirten sangen, während sie mit ihren Herden von den Weideplätzen zurückkehrten, und schwer beladene Esel trotteten den Bauernhöfen zu. Im Westen verfärbte sich die Sonne orange, während die Gipfel der thebanischen Berge in sanftem Rot leuchteten.
Der Schwüle eines heißen Sommertages folgte ein lauer Abend. Wie schön war Ägypten, wenn Goldtöne und verschwenderisches Grün, das Silber des Nils und die Glut der sinkenden Sonne es schmückten! Und wie schön war Nefertari in ihrem Kleid aus feinem, durchscheinendem Linnen! Ihrem anschmiegsamen, hingebungsvollen Körper entströmte berauschender Duft, und auf ihrem ernsten und friedlichen Antlitz spiegelte sich die Erhabenheit einer lichtvollen Seele.
«Bin ich deiner überhaupt würdig?» wollte Ramses wissen.
«Welch sonderbare Frage…»
«Bisweilen erscheinst du mir dieser Welt und ihrer Verdorbenheit, dem Hof, seinem kleinlichen Gehabe und den uns auferlegten Pflichten unendlich weit entrückt.»
«Bin ich etwa meinen Aufgaben in irgendeiner Weise nicht gerecht geworden?»
«Im Gegenteil. Du begehst nicht den geringsten Fehler, als wärest du seit eh und je die Königin Ägyptens. Ich liebe dich und ich bewundere dich, Nefertari.»
Ihre heißen, bebenden Lippen fanden sich.
«Ich hatte beschlossen, mich nie einem Manne zu vermählen und mein Leben in der Abgeschiedenheit eines Tempels zu verbringen», bekannte sie. «Für Männer empfand ich weder Gleichgültigkeitnoch Abneigung, doch sie kamen mir mehr oder minder wie Sklaven ihres Ehrgeizes vor, der sie letzten Endes verkümmern und verkrüppeln ließ. Dir konnte der Ehrgeiz nichts anhaben, denn deinen Weg hatte das Schicksal bestimmt. Ich bewundere dich und ich liebe dich, Ramses.»
Beide wußten, daß ihre Gedanken eins waren und daß keine Prüfung sie je zu entzweien vermochte. Mit der Gründung des Tempels für die Ewigkeit hatten sie gemeinsam die erste magische Handlung eines Königspaares vollzogen, aus der eine Zukunft erwachsen sollte, der allein der Tod ein scheinbares Ende setzen würde.
«Vergiß deine Pflichten nicht», mahnte Nefertari ihren Gemahl.
«Welche?»
«Söhne zu zeugen.»
«Ich habe bereits einen.»
«Du brauchst mehrere. Falls dir ein langes Dasein beschieden ist, werden einige vor dir sterben.»
«Warum sollte nicht unsere Tochter meine Nachfolge antreten?»
«Den Sternkundigen zufolge wird sie, wie der kleine Kha, eher von nachdenklicher Natur sein.»
«Ist das nicht eine gute Voraussetzung, um zu regieren?»
«Das hängt ganz von den Umständen und von der Welt um uns herum ab. Heute abend strahlt unser Land nichts als Heiterkeit und Frieden aus, nur, was wird morgen sein?»
Im nächsten Augenblick zerriß ein herangaloppierendes Pferd die abendliche Stille.
Ein staub bedeckter Serramanna schwang sich zu Boden.
«Vergib mir, Majestät, daß ich dich behellige, aber die Dringlichkeit gebietet es!»
Ramses überflog den Papyrus, den der Sarde ihm gereicht hatte.
«Ein Bericht des Kommandanten von Elephantine», erklärte er Nefertari. «Aufständische Nubier haben eine Karawane angegriffen, die Gold für unsere wichtigsten Tempel beförderte.»
«Hat es Opfer gegeben?»
«Mehr als zwanzig und zahlreiche Verwundete.»
«Handelt es sich um einen räuberischen Überfall oder um den Anfang eines Aufruhrs?»
«Das wissen wir noch nicht.»
Erregt lief Ramses einige Schritte hin und her. Der Löwe und der Hund spürten die Besorgnis ihres Herrn und leckten ihm die Hände.
Da sprach der Herrscher die Worte aus, die zu hören die große königliche Gemahlin bereits befürchtet hatte.
«Ich mache mich unverzüglich auf den Weg, denn es ist die Aufgabe des Pharaos, die Ordnung wiederherzustellen. Während meiner Abwesenheit wirst du, Nefertari, Ägypten regieren.»
FÜNFZIG
DIE KRIEGSFLOTTILLE DES Pharaos umfaßte an die zwanzig wie eine Mondsichel geformte Schiffe, von denen sowohl der Bug als auch das Heck aus dem Wasser ragten. Ein sehr großes Segel war mit unzähligen Tauen an einem einzigen Mast befestigt, der allen Anforderungen standhielt. In der Bootsmitte lag eine geräumige Kajüte für Mannschaft und Soldaten, im Vorschiff eine kleinere, die dem Kapitän vorbehalten war.
Auf dem Flaggschiff hatte Ramses
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