Der Tempel der Ewigkeit
für die Gründung eines Tempels der Millionen Jahre überlieferte Inschrift war abgewandelt und verfälscht worden, was den Schutz, den sie gewähren sollte, zunichte machte.
Also hatte der greise Nebou sich mit den Mächten der Finsternis verbündet, von den Feinden des Pharaos bestechen lassen und ihn verraten! Ramses hätte ihm am liebsten auf der Stelle mit dem Hammer, mit dem er die Begrenzungspfähle ins Erdreich gerammt hatte, den Schädel eingeschlagen, doch eine sonderbare Kraft, die von dem geheiligten Boden aufstieg, durchströmte seinen Lebensbaum, die Wirbelsäule, mit wohltuender Wärme. In seinem Herzen öffnete sich eine Tür, so daß er sich anders besann. Nein, er durfte keine Gewalt anwenden. Und die äußerst unauffällige Geste, die er soeben an Nebou wahrgenommen hatte, bestärkte ihn noch in dieser Meinung.
«Erhebe dich, Bildhauer!»
Der Mann gehorchte.
«Jetzt geh zum Oberpriester und bringe ihn hierher.»
Doki frohlockte. Sein Plan lief ganz nach Wunsch. Die Beteuerungen des Greises würden unglaubwürdig klingen und ihm nichts nützen. Der König würde eine furchtbare Strafe über ihn verhängen, und somit wäre das Amt des Oberpriesters wieder frei. Diesmal würde Ramses einen erfahrenen Mann hohen Ranges einsetzen, und zwar ihn, Doki.
Der Bildhauer hatte genau behalten, was der Zweite Prophet des Amun ihm eingeschärft hatte. Deshalb blieb er vor einem alten Mann stehen, der in der rechten Hand den vergoldeten Stab hielt und am Mittelfinger den goldenen Ring trug, die den Oberpriester des Amun kennzeichneten.
«Ist das wirklich der Mann, der dir den Text für die Inschrift der Stele gegeben hat?» fragte Ramses.
«Ja, das ist er.»
«Also bist du ein Lügner.»
«Nein, Majestät! Ich schwöre dir, der Oberpriester des Amun hat mir persönlich…»
«Du hast ihn nie gesehen, Bildhauer.»
Nun nahm Nebou den Stab und den Ring wieder an sich, die er in dem Augenblick, da der Bildhauer ihm den Rücken zukehrte und die Anschuldigung gegen ihn erhob, einem bejahrten Ritualpriester übergeben hatte.
Erschrocken verlor der Künstler die Fassung.
«Doki… Wo bist du, Doki? Du mußt mir helfen, ich kann nichts dafür! Du hast mir aufgetragen, ich soll sagen, der Oberpriester des Amun wollte die Magie des Tempels zerstören!»
Doki floh.
Vor Zorn wie von Sinnen, rannte der Bildhauer ihm nach, bekam ihn zu fassen und schlug mit Fäusten auf ihn ein.
Der Zweite Prophet des Amun erlag seinen Verletzungen. Der Bildhauer, nicht nur dieser Bluttat und der Schändung von Hieroglyphen beschuldigt, sondern auch der Bestechlichkeit und Lüge, würde vor Gericht gestellt und vom Wesir entweder zur Zwangsarbeit in einem Gefängnis in den Oasen verurteilt werden oder dazu, sich selbst zu töten.
Am Tag nach diesem verhängnisvollen Vorfall stellte Ramses bei Sonnenuntergang eigenhändig die Stele auf, deren inzwischen berichtigte Inschrift von der Gründung seines Tempels für die Ewigkeit kündete.
Das war die Geburtsstunde des Ramesseums.
«Hast du geahnt, daß Doki dir Schaden zufügen wollte?» fragte der König den greisen Nebou.
«So ist die menschliche Natur», entgegnete der Oberpriester. «Es gibt nur wenige, die sich damit begnügen, ihrem eigenen Weg zu folgen, ohne auf andere eifersüchtig zu sein. Wie schon die Weisen zu Recht geschrieben haben, ist der Neid eine tödliche Krankheit, die kein Arzt zu heilen vermag.»
«Dokis Amt muß neu besetzt werden.»
«Denkst du an Bakhen, Majestät?»
«Selbstverständlich.»
«Ich werde mich deiner Entscheidung nicht widersetzen, sie erscheint mir jedoch verfrüht. Du hast Bakhen mit der Aufsicht über die Baustätte von Luxor und über deinen Tempel der Millionen Jahre betraut, und du hast gut daran getan. Dieser Mann verdient dein Vertrauen. Aber erdrücke ihn nicht mit einer zu großen Last und verwirre seinen Kopf nicht mit zu vielfältigen Aufgaben. Zu gegebener Zeit wird er weitere Stufen in der Rangordnung erklimmen.»
«Was schlägst du vor?»
«Berufe in Dokis Amt einen alten Mann wie mich, der sich vornehmlich der Andacht und dem Vollzug der Riten widmet. Dann wird dir der Tempel von Karnak keinerlei Sorgen bereiten.»
«Suche ihn selbst aus! Hast du Einsicht in den Bauplan des Ramesseums genommen?»
«Mein Dasein war eine lange Kette glücklicher und friedvoller Tage, dennoch erfüllt mich etwas mit Bedauern: daß ich es nicht mehr erleben werden, deinen Tempel der Millionen Jahre vollendet zu sehen.»
«Wer weiß,
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