Der Tempel der Ewigkeit
untersteht dem Schutz der Göttin Hathor und dient den Schiffern als Rastplatz. Der Nil erreicht dort den Gipfel seiner Schönheit, der Fluß vermählt sich dem Fels, und die steil abfallenden Wände aus Sandstein scheinen darauf zu warten, den Tempel zu gebären, den sie in sich tragen.»
«Birgt es nicht unüberwindliche Schwierigkeiten, in einem so weit entfernten Landstrich eine Baustätte zu eröffnen?»
«Nur scheinbar unüberwindlich.»
«Keiner deiner Vorgänger hat dieses Abenteuer je versucht.»
«Das stimmt wohl, doch es wird mir gelingen. Seit ich Abu Simbel gesehen habe, läßt mich der Gedanke daran nicht mehr los. Dieser Elefant war ein Bote des Verborgenen. Heißt sein Name Abu nicht genauso wie jener Ort, und bedeutet er nicht ‹Anfang›? Ein neuer Anfang für Ägypten muß dort liegen, im Herzen Nubiens, in Abu Simbel. Es gibt keine andere Möglichkeit, diese Provinz zu befrieden und sie glücklich zu machen.»
«Ist das nicht ein aberwitziges Unterfangen?»
«Gewiß! Doch verleihe ich damit nicht meinem Ka Ausdruck? Das Feuer, das mich beseelt, wird zum Stein der Ewigkeit. Luxor, Pi-Ramses, Abu Simbel, ihnen gilt mein Sinnen und Trachten. Gäbe ich mich damit zufrieden, nur die laufenden Staatsgeschäfte zu führen, übte ich Verrat an meinem Amt.»
«Mein Kopf hegt auf deiner Schulter, und ich weiß das beruhigende Gefühl einer Frau zu genießen, die geliebt wird… Aber auch du kannst auf mir ruhen, wie ein Koloß auf seinem Sockel.»
«Stimmst du meinem Vorhaben in Abu Simbel zu?»
«Du mußt es reifen, in dir wachsen lassen, bis du es so deutlich vor dir siehst, daß sein Anblick überwältigend und unwiderstehlich ist. Dann handle.»
Innerhalb des Bereichs, in dem der Tempel für die Ewigkeit entstand, fühlten sich Ramses und Nefertari von einer sonderbaren Kraft belebt, die sie unverwundbar machte.
Werkstätten, Lagerhäuser und Kasernen in Pi-Ramses waren soweit fertig gestellt, daß sie benutzt werden konnten. Die Hauptstraßen der Stadt erschlossen den Zugang zu den verschiedenen Wohnvierteln und führten zu den bedeutendsten Tempeln, die sich zwar noch im Bau befanden, in deren Allerheiligstem jedoch die wichtigsten Riten bereits vollzogen werden konnten.
Den Ziegelmachern, deren Einsatz allmählich seinem Ende zuging, folgten bereits die Gärtner und Maler, ganz zu schweigen von jenen Künstlern, die Pi-Ramses ausschmücken und der Stadt ein reizvolles Antlitz verleihen sollten. Da blieb nur noch eine Sorge: Würde es auch Ramses gefallen?
Moses stieg auf das Dach des Palastes hinauf und ließ seine Blicke über die Stadt schweifen. Er hatte, wie der Pharao, ebenfalls ein Wunder vollbracht. Die Anstrengungen der Männer und eine überaus sorgfältige Planung der erforderlichen Arbeiten hätten allein nicht ausgereicht. Es hatte auch der Begeisterung bedurft, die dem Menschen nicht von Natur aus eigen ist, sondern der Liebe zu Gott und seiner Schöpfung entspringt. Wie gern hätte Moses diese Stadt ihm zum Geschenk gemacht, anstatt sie Amun, Seth und ihresgleichen zu überlassen. So viele Fähigkeiten vergeudet, um stumme Götzen zufriedenzustellen…
Seine nächste Stadt würde er zum Ruhme des wahren Gottes erbauen, in seinem Land, auf heiligem Boden. Falls Ramses ein echter Freund war, würde er Verständnis für diesen Wunschtraum aufbringen.
Moses schlug mit der Faust auf die Brüstung der Dachterrasse.
Nie würde der König von Ägypten den Aufstand einer Minderheit dulden, nie würde er zugunsten einer Nachfahrin Echnatons seinem Thron entsagen! Ein irrwitziger Traum hatte ihm den Verstand verwirrt.
Unten, neben einem der Hintereingänge in den Palast, stand Ofir.
«Kann ich mit dir reden?» fragte der Magier.
«Komm herauf.»
Ofir hatte gelernt, sich in der Stadt zu bewegen, ohne Verdacht zu erregen. Man hielt ihn für einen Sachkundigen, dessen Rat dem Oberaufseher über die Baustätten von Pi-Ramses nützlich war.
«Ich gebe auf», erklärte Moses. «Es ist sinnlos, unsere Gespräche fortzuführen.»
Der Magier blieb eiskalt.
«Ist ein unvorhergesehenes Ereignis eingetreten?»
«Ich habe nachgedacht, unsere Pläne sind blanker Wahnsinn.»
«Dabei bin ich gekommen, um dir kundzutun, daß die Schar der Anhänger Atons beachtliche Unterstützung erfahren hat. Persönlichkeiten von hohem Rang sind der Meinung, daß Lita mit dem Segen des alleinigen Gottes den Thron von Ägypten besteigen soll. Wenn es dazu kommt, sind die Hebräer frei.»
«Ramses
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