Der Tempel der Ewigkeit
ihm durch die von Sphingen gesäumte Allee, die beide Tempel miteinander verband.
Die neue Fassade von Luxor ließ jeden verstummen. Die zwei Obelisken, die Kolossalstatuen des Königs und der ebenso gewaltige wie elegante Pylon bildeten eine vollendet harmonische Einheit, die selbst den größten Baumeistern der Vergangenheit Ehre gemacht hätte.
Die Obelisken zerstreuten die schädlichen Einflüsse des Weltalls und lenkten die himmlischen Mächte in den Tempel, damit sie hier Einzug halten und den Ka mehren konnten, den er hervorbrachte. Zu ihren Füßen feierten Paviane, diese großen Affen, in denen sich die Weisheit des Gottes Thot verkörperte, jeden Morgen die Geburt des Lichts, und jeder Teil des Tempels, von der Hieroglyphe bis zum Koloß, war eine Huldigung an die täglich zu neuem Leben erweckte Sonne, die zwischen den zwei Türmen des Pylonen über dem Hauptportal thronte.
Ramses und Nefertari durchschritten dieses Portal und betraten einen großen, nicht überdachten Hof, an dessen Wänden sich gewaltige Säulen als Symbole für die Macht des Ka entlang zogen. Zwischen ihnen standen Kolossalstatuen, Bildnisse des Königs, die seine unerschöpfliche Kraft zum Ausdruck brachten und auf denen, liebevoll an ein Bein des Riesen geschmiegt, auch Nefertari zu sehen war, zierlich und dennoch unbeugsam.
Nebou, der Oberpriester von Karnak, trat langsam auf das Königspaar zu, wobei er sich bei jedem Schritt auf seinen vergoldeten Stock stützte.
Der Greis verneigte sich.
«Majestät, sei gegrüßt im Tempel des Ka! Hier wird sich ohne Unterlaß die Kraft deiner Herrschaft erneuern.»
Am Fest zur Einweihung von Luxor nahm die gesamte Einwohnerschaft Thebens und seiner Umgebung teil, vom Niedrigsten bis zum Höchsten. Zehn Tage lang wurde in den Straßen getanzt und gesungen, Schenken und Schankstätten unter freiem Himmel waren stets voll besetzt, denn dank der Huld des Pharaos gab es das süße Bier, dessen die Bäuche sich erfreuten, umsonst.
Der König und die Königin veranstalteten ein Festmahl, das in die Annalen einging. Ramses erklärte feierlich, der Tempel des Ka sei nun vollendet und künftig werde ihm kein weiteres Bauwerk mehr hinzugefügt. Es gelte nur noch, die Szenen und symbolischen Darstellungen seiner Herrschaft auszuwählen, die die Fassade des Pylonen und die Wände des großen Hofes zieren sollten. Jeder erachtete es als weise, daß der Herrscher diese Entscheidung noch aufschieben und im Einvernehmen mit den Ritualpriestern aus dem Haus des Lebens treffen wollte.
Ramses wußte zu würdigen, wie wenig Bakhen, der Vierte Prophet des Amun, über seine eigenen Verdienste sprach und statt dessen die Leistungen der Baumeister pries, die Luxor im Einklang mit den Gesetzen der Harmonie errichtet hatten. Am Ende der Feierlichkeiten übergab der König dem Oberpriester des Amun das Gold aus Nubien und versicherte, daß die Gewinnung und Beförderung des edlen Metalls fortan unter strengste Bewachung gestellt werde.
Ehe das königliche Paar wieder gen Norden aufbrach, suchte es noch die Baustätte des Ramesseums auf. Auch hier hatte Bakhen seine Pflichten erfüllt. Vermesser, Erdarbeiter und Steinhauer waren am Werk, der Tempel für die Ewigkeit begann sich aus der Wüste zu erheben.
«Lasse Eile walten, Bakhen. Die Grundmauern sollen so schnell wie möglich fertig werden.»
«Bereits morgen werden die Handwerker und Künstler aus Luxor hier eintreffen, dann stehen mir tüchtige und erfahrene Männer in großer Zahl zur Verfügung.»
Ramses stellte fest, daß sein Plan gewissenhaft befolgt wurde. Schon malte er sich die Kapellen aus, den großen Säulensaal, die Opfertische, die Arzneikammer, die Bibliothek… Millionen Jahre würden durch die steinernen Adern des Bauwerks fließen.
Der König schritt mit Nefertari den geheiligten Boden ab und beschrieb ihr seinen Traum, als berühre er bereits die Wände und die langen Schriftreihen der in den Stein gemeißelten Hieroglyphen.
«Das Ramesseum wird dein großes Werk.»
«Vielleicht.»
«Weshalb hegst du daran Zweifel?»
«Weil ich Ägypten mit Heiligtümern bedecken und den Göttern unendlich viele Kultstätten errichten möchte, auf daß das ganze Land von ihrer Kraft durchströmt und diese Erde dem Himmel ähnlich werde.»
«Welcher Tempel vermöchte den der Millionen Jahre zu übertreffen?»
«In Nubien habe ich einen außerordentlichen Ort entdeckt, zu dem mich ein Elefant geführt hat.»
«Hat er einen Namen?»
«Abu Simbel. Er
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