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Der Tempel der Ewigkeit

Der Tempel der Ewigkeit

Titel: Der Tempel der Ewigkeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian Jacq
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der Schwäche und Mutlosigkeit nicht auch erlebt? Was von einer großen königlichen Gemahlin gefordert wird, übersteigt die Kräfte einer Frau. Das ist so, seit Ägypten erschaffen wurde, und es darf sich auch nicht ändern.»
    «Hast du nie den Wunsch verspürt aufzugeben?»
    «In der ersten Zeit zehnmal, hundertmal an einem Tag. Ich habe Sethos angefleht, eine andere Frau zur Königin zu erwählen und mich als Nebengemahlin in seiner Nähe zu behalten. Seine Antwort fiel stets gleich aus: Er schloß mich in die Arme und tröstete mich, ohne jedoch in irgendeiner Weise die Bürde meines Amtes zu erleichtern.»
    «Bin ich nicht des Vertrauens unwürdig, das Ramses mir entgegenbringt?»
    «Es ist gut, daß du dir diese Frage stellst, aber die Antwort darauf kann dir nur ich geben.»
    Nefertaris Augen spiegelten Besorgnis wider, während Tujas Blick nicht von ihr abließ.
    «Du bist zum Herrschen verurteilt, Nefertari. Kämpfe nicht gegen dem Schicksal an, sondern lasse dich hineingleiten, wie eine Schwimmerin in den Fluß.»
    In weniger als drei Tagen hatten Ameni und Roinet eine gründliche Neugestaltung der thebanischen Verwaltung in die Wege geleitet. Dabei waren sie den Anordnungen von Ramses gefolgt, der mit hohen wie niederen Beamten, vom Bürgermeister der Stadt Theben bis zum Aufseher über die Fährkähne, gesprochen hatte. Da Memphis so weit entfernt war und Sethos sich so gut wie ständig im Norden des Landes aufgehalten hatte, führte die große Stadt im Süden ein zunehmend eigenständiges Dasein, und der dank unermeßlicher Reichtümer seines Tempels mächtige Oberpriester des Amun erachtete sich als eine Art Herrscher, dessen Verfügungen größere Bedeutung zukam als denen des Königs. Während Ramses diese und jene Meinung anhörte, keimte in ihm die Erkenntnis auf, welche Gefahren eine solche Entwicklung heraufbeschwor: Falls er tatenlos blieb, würden Ober- und Unterägypten zwei verschiedene, wenn nicht gar einander befehdende Länder werden, und diese Teilung würde ms Verderben führen.
    Dem schmächtigen Ameni und dem wohlbeleibten Romet bereitete es keinerlei Beschwer, gemeinsam ans Werk zu gehen. So andersartig sie waren, so sehr ergänzten sie einander. Taub für das Buhlen der Höflinge, überaus angetan von Ramses’ Persönlichkeit und davon überzeugt, daß er den richtigen Weg eingeschlagen hatte, veränderten sie von Grund auf die Rangordnung der bislang trägen Beamten und sprachen zuhauf unerwartete Ernennungen aus, die vom König gebilligt wurden.
    Zwei Wochen nach der Krönung brodelte es in Theben. Manche hatten angekündigt, ein des Herrschens Unfähiger besteige den Thron, während andere mit einem nur auf die Jagd und auf körperliche Ertüchtigung erpichten Jüngling gerechnet hatten. Doch Ramses war in seinem Palast geblieben, hatte mehr und mehr Beratungen einberufen und Entscheidungen getroffen und brachte seine Macht mit einer Strenge zum Ausdruck, die Sethos Ehre gemacht hätte.
    Und nun wartete er auf die Folgen seines Verhaltens.
    Es ereignete sich indes nichts. Vor Staunen wie betäubt, verharrte Theben in einem Dämmerzustand. Der Wesir, vom König zur Audienz geladen, trat als ergebener Oberster Diener des Staates auf und begnügte sich damit, die Anweisungen Seiner Majestät entgegenzunehmen und sie unverzüglich auszuführen.
    Ramses teilte jedoch weder Amenis jugendlichen Überschwang noch Romets ein wenig belustigte Zufriedenheit. Sein schnelles Handeln hatte seine Feinde zwar überrascht, sie aber weder bekehrt noch besiegt. Sie lauerten nur auf eine Atempause, zu der ihnen irgendein Ungemach des Königs schon verhelfen würde. Er hingegen hätte eine offene Schlacht den lautlosen Bündnissen vorgezogen, die sich im verborgenen anbahnten, doch das war wohl nur ein kindlicher Wunsch.
    Jeden Abend durchstreifte er kurz vor Sonnenuntergang den Garten des Palastes, in dem an die zwanzig Gärtner damit beschäftigt waren, die Blumenbeete zu sprengen und bei Einbruch der Dunkelheit die Bäume zu bewässern. Links von Ramses trottete Wächter, der goldgelbe Hund, mit einem Halsband aus Kornblumen, während zu seiner Rechten Schlächter, der riesige Löwe, geschmeidig einherschritt. Und am Eingang in den Garten saß der Sarde Serramanna, der Vorsteher der Leibwache Seiner Majestät, unter Weinreben und hielt sich bereit, um beim geringsten Anzeichen von Gefahr einzuschreiten.
    Ramses hatte großes Wohlgefallen an den Sykomoren, den Granatapfel- und Feigenbäumen, den

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