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Der Tempel der Ewigkeit

Der Tempel der Ewigkeit

Titel: Der Tempel der Ewigkeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian Jacq
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Perseas und den übrigen Bäumen, die diesen Garten zu einem Paradies machten, in dem die Seele zur Ruhe kam. Sollte nicht ganz Ägypten diesem Hort des Friedens gleichen, in dem verschiedene Gewächse miteinander im Einklang standen?
    An diesem Abend pflanzte Ramses eine winzige Sykomore, häufelte rund um den Schößling einen kleinen Erdwall auf und wässerte ihn behutsam.
    «Majestät sollte jetzt ein Weilchen warten und dann noch einmal einen Krug voll angießen, beinahe tropfenweise.»
    Der Mann, der dies gesagt hatte, war ein Gärtner von nicht einschätzbarem Alter. Sein Nacken wies die Narbe eines großen Geschwürs auf, das unter dem Druck des an beiden Enden mit schweren irdenen Gefäßen behängten Tragejochs entstanden sein mochte.
    «Ein kluger Rat», erklärte Ramses anerkennend. «Wie heißt du?»
    «Nedjem.»
    «‹Der Sanfte›… Bist du verheiratet?»
    «Ich habe mich diesem Garten vermählt, diesen Bäumen, Sträuchern und Blumen. Sie sind meine Familie, meine Ahnen und meine Nachkommen. Die Sykomore, die du gepflanzt hast, wird dich überleben, selbst wenn du einhundertzehn Jahre auf Erden weilen solltest, wie die Weisen.»
    «Ziehst du das etwa in Zweifel?» fragte Ramses lächelnd.
    «Es ist gewiß nicht leicht, König zu sein und dabei weise zu bleiben. Die Menschen sind verdorben und stecken voller Tücke.»
    «Du bist ein Teil dieser Menschheit, die dir so mißfällt. Solltest du frei von ihren Fehlern sein?»
    «Ich würde nicht wagen, das zu behaupten, Majestät.»
    «Hast du Schüler unterwiesen?»
    «Das ist nicht meine Aufgabe, sondern die des Vorstehers der Gärtner.»
    «Ist er sachkundiger als du?»
    «Wie soll ich das wissen? Er kommt nie hierher.»
    «Hältst du die Anzahl an Bäumen in Ägypten für ausreichend?»
    «Sie sind das einzige, was nie ausreicht.»
    «Ich teile deine Meinung.»
    «Der Baum gibt uns alles, was er hat», erklärte der Gärtner. «Solange er lebt, spendet er Schatten, Blüten und Früchte, nach seinem Tod noch das Holz. Dank seiner können wir essen, bauen und Augenblicke des Glücks genießen, wenn wir unter seinem Laubdach sitzen und der sanfte Wind des Nordens uns umstreicht. Ich träume von einem Land voller Bäume, das nur die Vögel und die Wiederauferstandenen bewohnen.»
    «Ich trage mich mit der Absicht, in allen Provinzen viele Bäume pflanzen zu lassen», tat Ramses kund. «Kein Dorfplatz darf ohne Schatten bleiben. In ihm werden sich Alte und Junge versammeln, und die Jungen werden den Worten der Alten lauschen.»
    «Mögen die Götter dir wohlgesinnt sein, Majestät. Du könntest keine besseren Pläne für deine Herrschaft haben.»
    «Willst du mir helfen, sie in die Tat umzusetzen?»
    «Ich, aber…»
    «Die Amtsstuben des Obersten Verwalters der Felder und Haine sind voll von fleißigen und sachkundigen Schreibern, doch ich brauche einen Mann, der die Natur hebt und ihre Geheimnisse kennt, um ihnen die richtigen Anweisungen zu erteilen.»
    «Ich bin nur ein Gärtner, Majestät, ein…»
    «In dir steckt die Begabung für einen ausgezeichneten Obersten Verwalter der Felder und Haine. Finde dich morgen früh im Palast ein und frage nach Ameni. Er wird unterrichtet sein und dich in deine neuen Aufgaben einführen.»
    Darauf entfernte sich Ramses. Zurück blieb ein verblüffter Nedjem, der wie versteinert dastand. Der König vermeinte im hinteren Teil des Gartens, zwischen zwei Feigenbäumen, eine zierliche weiße Gestalt erspäht zu haben. War eine Göttin an diesem magischen Ort erschienen?
    Eilends ging er näher.
    Die Gestalt hatte sich nicht bewegt.
    Im sanften Schein der untergehenden Sonne schimmerten ihre schwarzen Haare und das lange weiße Kleid. Wie konnte eine Frau nur so schön sein, ebenso unnahbar wie anziehend?
    «Nefertari…»
    Sie kam auf ihn zu und warf sich in seine Arme.
    «Es ist mir gelungen, mich davonzustehlen», gestand sie. «Deine Mutter hat sich bereit erklärt, mich heute abend bei dem Konzert der Lautenspieler zu vertreten. Hast du mich vergessen?»
    «Dein Mund gleicht einer Lotosknospe und deinen Lippen wohnt Zauberkraft inne, doch ich verspüre einen unwiderstehlichen Drang, dich zu küssen.»
    Ihr Kuß war wie ein Jungbrunnen. Eng umschlungen, so daß sie zu einem einzigen Wesen verschmolzen, sammelten sie neue Kräfte, indem einer sich dem anderen hingab.
    «Ich bin wie ein Vogel, der sich in deinem Haar verfängt», sagte Ramses. «Du läßt mich einen Garten mit tausend Blumen entdecken, deren Düfte mich

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