Der Tempel der Ewigkeit
muß ich zugeben. Sein Sarde, Serramanna, durchsuchte mich schonungslos, obgleich ich dagegen Einspruch erhob.»
«Dich, den Bruder des Königs? Sind wir so tief gesunken?»
«Das befürchte ich, Meba.»
«Hast du dich beim König darüber beschwert?»
«Er ließ mich nicht zu Wort kommen. Gebührt seiner Sicherheit nicht größeres Augenmerk als der Achtung vor seinen Angehörigen?»
«Sethos hätte eine solche Gesinnung für verwerflich gehalten.»
«Beklagenswerterweise weilt mein Vater nicht mehr in dieser Welt, und Ramses hat seine Nachfolge angetreten.»
«Die Menschen vergehen, die Ämter bleiben. Ein Würdenträger von deinen Verdiensten wird eines Tages das höchste Amt erlangen.»
«Darüber werden die Götter entscheiden, Meba.»
«Wolltest du nicht etwas… zu meinem Fall erwähnen?»
«Dazu komme ich gleich. Während ich nach dieser schmachvollen Durchsuchung noch vor Scham und Empörung bebte, verkündete mir Ramses, daß er mich zum Obersten Gesandten ernenne.»
Meba wurde bleich.
«Dich statt meiner? Das ist unbegreiflich!»
«Du wirst es besser verstehen, wenn du hörst, daß ich in seinen Augen nur den Titel führen soll, von seinen Schergen im Zaum gehalten, die mir keinerlei Gelegenheit lassen werden, aus eigenem Antrieb zu handeln. In gewisser Weise bin ich nur ein Strohmann, dazu wärst du nicht unterwürfig genug gewesen, mein lieber Meba. Wenn die Herrscher der Fremdländer erfahren, Ramses messe dem Obersten Gesandten so viel Bedeutung bei, daß er seinen Bruder dazu ernennt, werden sie sich geehrt fühlen, ohne zu wissen, daß mir Hände und Füße gebunden sind.»
Meba war zutiefst erschüttert.
«Ich zähle also nichts mehr…»
«Wie ich, obwohl der Anschein dagegen spricht.»
«Dieser König ist ein Ungeheuer.»
«Viele ehrenwerte Männer werden dies nach und nach herausfinden. Deshalb dürfen wir uns nicht entmutigen lassen.»
«Was schlägst du vor?»
«Möchtest du in den Ruhestand treten oder an meiner Seite kämpfen?»
«Ich kann Ramses Schaden zufügen.»
«Gib vor, dich zurückzuziehen, und erwarte meine Anweisungen.»
Meba lächelte.
«Ramses begeht vielleicht einen Fehler, wenn er dich unterschätzt. Selbst bei sehr eingeschränkten Möglichkeiten werden sich dir an der Spitze dieses Amtes allerlei günstige Gelegenheiten bieten.»
«Du bist überaus scharfsinnig, lieber Freund. Möchtest du mir nicht ein wenig aus diesem hohen Amt im Staat berichten, das du mit so großem Geschick geleitet hast?»
Meba ließ sich nicht lange bitten. Chenar vermied es hingegen, ihn davon zu unterrichten, daß er bereits einen wertvollen Verbündeten hatte, der ihm dazu verhelfen würde, die Lage zu meistern. Achas Verrat mußte sein am besten gehütetes Geheimnis bleiben.
Hand in Hand mit Lita schritt der Magier Ofir langsam durch die Prunkstraße der Sonnenstadt, der verlassenen Hauptstadt des ketzerischen Pharaos Echnaton und seiner Gemahlin Nofretete. Kein Gebäude war je zerstört worden, doch wenn der böige Wind der Wüste über sie hinwegfegte, drang der Sand durch Türen und Fenster in die Häuser ein.
Die mehr als hundert Meilen nördlich von Theben gelegene Stadt war seit etwa fünfzig Jahren unbewohnt. Nach dem Tod Echnatons war der Hof von dieser erhabenen Stätte in Mittelägypten wieder in die Amun-Stadt umgezogen. Die überlieferten Kulte wurden neu belebt, die alten Götter setzten sich wieder durch und verdrängten Aton, die Sonnenscheibe, die Verkörperung des alleinigen Gottes.
Echnaton war nicht weit genug gegangen. Die Sonnenscheibe selbst hatte den Sieg der Wahrheit verhindert. Gott reichte über jede Darstellung und alle Symbole hinaus. Er wohnte im Himmel, die Menschen auf Erden. Indem die Ägypter auch die Götter auf Erden ansiedelten, vereitelten sie die weltweite Anerkennung des alleinigen Gottes. Deshalb mußte Ägypten dem Untergang preisgegeben werden.
Ofir war der Nachkomme eines libyschen Beraters, der viele Stunden in der Gesellschaft Echnatons zugebracht hatte. Der Herrscher hatte ihm mystische Gedichte diktiert, die der Fremde dann im ganzen Vorderen Orient, selbst unter den Stämmen des Sinai und insbesondere bei den Hebräern verbreitete.
Horemheb, der wahre Begründer der neuen Dynastie, der Sethos und Ramses angehörten, hatte den Vorfahren Ofirs töten lassen, weil er ihn als Ketzer und Magier erachtete und ihm unterstellte, er habe Echnaton beeinflußt und ihn die Pflichten des Königs vergessen lassen.
Ja, das waren auch
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