Der Tempel der Ewigkeit
sowie der Ziegelmacher, die unter seiner Aufsicht standen.
Die ihm von Ramses angebotene Stelle des Baumeisters hatte Moses abgelehnt, denn er fühlte sich nicht imstande, so große Verantwortung auf sich zu nehmen. Die Anstrengungen der fachkundigen Handwerker miteinander in Einklang bringen und ihren Willen zu höchster Vollendung anspornen, ja, das konnte er, aber nicht Pläne entwerfen wie einer aus der Bruderschaft in Deir el Medineh. Die Befähigung zum Baumeister würde er nur erlangen, indem er den Beruf an Ort und Stelle erlernte, indem er denen, die besser ausgebildet waren als er, zuhörte und sich mit den Eigenschaften der verschiedenen Baustoffe vertraut machte.
Das rauhe Leben auf einer Baustätte erlaubte dem Hebräer, überschüssige Kräfte zu verbrauchen und dabei das Feuer zu vergessen, das seine Seele verzehrte. Wenn er Abend für Abend auf seinem Lager vergebens auf den Schlaf wartete, versuchte Moses zu begreifen, warum die schlichte Lebensfreude ihn floh. Er war in einem reichen Land geboren, hatte eine einkömmliche Stellung, erfreute sich der Freundschaft des Pharaos, zog die Blicke hübscher Frauen auf sich und könnte ein sorgenfreies, friedliches Dasein führen… Doch nichts von alledem linderte sein Unbehagen. Woher kam diese stete Unzufriedenheit, diese durch nichts gerechtfertigte innere Pein?
Wieder tatkräftig zupacken, von neuem den frohen Klang der Hämmer und Meißel vernehmen, die mit gewaltigen Steinblöcken beladenen Schlitten über nassen Schlamm gleiten sehen, über die Sicherheit jedes einzelnen Arbeiters wachen, miterleben, wie eine Säule wuchs, all das war ein erregendes Abenteuer und würde ihn von seinen Qualen befreien.
Während des Sommers ruhte die Arbeit für gewöhnlich, doch nach der langen Trauerzeit zwischen Sethos’ Tod und Ramses’ Krönung konnte diese Gepflogenheit in diesem Jahr nicht beibehalten werden. Deshalb hatte Moses im Einvernehmen mit dem Obersten der Bruderschaft in Deir el Medineh und mit dem Baumeister, der ihm seinen Plan Punkt für Punkt erklärt hatte, zwei Arbeitsschichten pro Tag festgelegt, von denen die erste von der Morgendämmerung bis in den halben Vormittag und die zweite vom späten Nachmittag bis zum Einbruch der Dunkelheit dauerte. Auf diese Weise stand jedem ausreichend Zeit zur Verfügung, wieder zu Kräften zu gelangen. Obendrein waren zwischen Pflöcken breite Stoffbahnen gespannt worden, die der Baustätte Schatten spendeten.
Kaum hatte Moses den Wachposten vor der Säulenhalle passiert, da kam der Aufseher über die Steinmetze auf ihn zu.
«Es ist vollkommen ausgeschlossen, unter diesen Umständen zu arbeiten.»
«Aber die Hitze ist noch nicht unerträglich.»
«Die schreckt uns auch nicht… Ich spreche vom Verhalten des neuen Aufsehers über die Ziegelmacher.»
«Kenne ich ihn?»
«Er heißt Sary und ist der Gemahl von Dolente, der Schwester des Pharaos. Deshalb glaubt er wohl, er könne sich alles erlauben.»
«Was wirfst du ihm vor?»
«Weil er es lästig findet, ruft er seine Leute nur einmal in zwei Tagen zusammen, versagt ihnen aber die Mittagsruhe und billigt ihnen das Wasser nur in geringen Mengen zu. Meint er etwa, er könne unsere Arbeiter wie Sklaven behandeln? Wir sind in Ägypten und nicht in Griechenland oder bei den Hethitern! Ich werde mich auf die Seite der Ziegelmacher stellen.»
«Da hast du recht. Wo ist Sary?»
«Im Schatten, im Zelt der Vorsteher.»
Sary hatte sich sehr verändert. Der einst frohsinnige Erzieher war ein nahezu hagerer Mann mit kantigem Gesicht und fahrigen Bewegungen geworden. Unablässig ließ er einen inzwischen zu weiten kupfernen Armreif um sein linkes Handgelenk kreisen, und oft rieb er sich mit einer Salbe den rechten Fuß ein, an dem ihm die durch eine Gelenkentzündung verunstaltete große Zehe Schmerzen bereitete. Aus der Zeit seines ehemaligen Amtes hatte Sary sich nur das vornehme Gewand aus weißem Leinen bewahrt, das Zeichen seiner Zugehörigkeit zum Stand der wohlhabenden Schreiber.
Auf Kissen gebettet, trank Sary kühles Bier. Als Moses das Zelt betrat, warf er ihm nur einen flüchtigen Blick zu.
«Sei mir gegrüßt, Sary! Erkennst du mich noch?»
«Einen Moses, den vor Geist sprühenden Mitschüler von Ramses, vergißt man nicht. Bist du also auch dazu verurteilt, auf dieser Baustätte zu schwitzen… Der König erweist seinen früheren Freunden wenig Gunst.»
«Ich bin mit meinem Los zufrieden.»
«Du könntest nach Besserem streben.»
«Gibt es
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