Der Tempel der vier Winde - 8
könnte sich Vorwürfe machen.
»Warum wartest du nicht hier, während wir der Sache nachgehen.«
Ihre feuchtglänzenden grünen Augen blitzten ihn an. »Ich komme mit«, sagte sie zwischen zusammengepreßten Zähnen hindurch.
Richard gab den Versuch auf, sich das dichtgedrängte Gewirr aus engen Straßen und verschlungenen Gassen einzuprägen, durch das sie kamen, und merkte sich einfach nur, wo die Sonne am Himmel stand, um nicht die Orientierung zu verlieren, während Yonick sie durch einen Irrgarten von Gebäuden und ummauerten, mit Wäsche vollgehängten Innenhöfen führte.
Hühner flatterten gackernd vor ihnen auseinander. In manchen der winzigen Höfe standen ein paar Ziegen oder Schafe, gelegentlich das eine oder andere Schwein. Die Tiere wirkten inmitten der eng beieinander stehenden Häuser wie Fremdkörper.
Die Menschen oben ließen sich in ihren Gesprächen von Fenster zu Fenster nicht stören. Einige lehnten sich, auf ihre Ellenbogen gestützt weit vor, um die von einem kleinen Jungen angeführte Prozession zu betrachten. Sie erregte einiges Aufsehen. Richard wußte, daß es eher der Lord Rahl in seiner schwarzen Kriegszaubererkleidung mit dem goldenen Cape und die Mutter in ihrem ursprünglichen weißen Kleid waren, die hier bestaunt wurden, und nicht so sehr die Gruppe von Soldaten und die beiden Mord-Sith – Soldaten gab es überall, und die Menschen in der Stadt hatten wahrscheinlich nicht die geringste Ahnung, wer die beiden Frauen in brauner Lederkleidung waren.
Die Menschen auf den Straßen und in den kleinen Gassen schoben ihre Karren mit Gemüse, Holz oder Haushaltsgütern zur Seite, um Platz zu machen. Andere standen an den Wänden und sahen zu, als sei es eine improvisierte Miniaturparade, die unerwarteterweise durch ihre Gegend kam.
An Kreuzungen jubelten Soldaten auf Patrouille ihrem Lord Rahl zu und bedankten sich lautstark für ihre Heilung.
Richard hielt Kahlan fest an der Hand. Seit Verlassen des Palastes hatten sie kein einziges Wort gesprochen. Er hatte Nadine gezwungen, hinter ihnen zu gehen, zwischen den beiden Mord-Sith. Er hoffte, daß die Frau klug genug war, den Mund zu halten.
Yonick zeigte nach vorn. »Gleich da hinauf.«
Sie folgten ihm, als er von der Straße in eine enge Gasse zwischen Steinmauern einbog, die das untere Stockwerk eines Hauses bildeten. Wasser, das vom tauenden Schnee oben herabtröpfelte, spritzte den Matsch aus der Gasse ein paar Fuß hoch an die Mauern. Mit einer Hand hatte Kahlan Richards Hand gefaßt, mit der anderen hielt sie den Saum ihres Kleides hoch und folgte ihm über die Reihe von Bohlen, die man in den Schlamm gelegt hatte.
Vor einer Tür unter einem kleinen Vordach blieb Yonick stehen. Die Menschen zu beiden Seiten sahen neugierig aus den Fenstern. Als Richard ihn eingeholt hatte, öffnete der Junge die Tür und rannte, nach seiner Mutter rufend, die Stufen hoch.
Am oberen Ende der Treppe öffnete sich quietschend eine Tür. Eine Frau in einem braunen Kleid mit weißer Schürze starrte dem Jungen entgegen, der die Treppe hochgelaufen kam.
»Mutter – es ist Lord Rahl! Ich habe Lord Rahl mitgebracht!«
»Den Guten Seelen sei Dank!« rief sie.
Sie legte ihrem Sohn erschöpft eine Hand auf den Rücken, als er ihr die Arme um die Hüfte schlang. Mit der anderen Hand deutete sie auf eine Tür im Hintergrund des kleinen, als Küche, Eß- und Wohnzimmer genutzten Raumes.
»Danke, daß Ihr gekommen seid«, sagte sie undeutlich zu Richard, brach aber in Tränen aus, bevor sie den Satz beenden konnte.
Yonick rannte ins hintere Zimmer. »Hier entlang, Lord Rahl.«
Richard drückte der Frau im Vorbeigehen den Arm, um sie zu beruhigen, und folgte Yonick. Kahlan hielt seine andere Hand noch immer fest umklammert. Nadine und Drefan folgten ihnen auf dem Fuße, dahinter Cara und Raina. Als die übrigen hereinkamen, hielt Yonick sie an der Schlafzimmertür zurück.
Eine einzelne Kerze auf einem kleinen Tisch kämpfte fast vergeblich gegen das Leichentuch der Dunkelheit an. Eine Schüssel mit Wasser und einem seifigen Lappen hielt neben der Kerze Wache.
Der Rest des Zimmers, das größtenteils von drei Strohlagern eingenommen wurde, schien nur darauf zu lauern, daß die Bemühungen der Kerze erlahmten und die Nacht von dem Zimmer Besitz ergreifen konnte.
Auf dem hintersten Strohlager lag eine schmächtige Gestalt. Richard, Kahlan, Nadine und Drefan drängten sich um sie. Yonick und seine Mutter, Silhouetten im Licht aus dem Nebenraum,
Weitere Kostenlose Bücher