Der Tempel der vier Winde - 8
standen am Rand der Dunkelheit und sahen zu.
Im Zimmer roch es nach verfaultem Fleisch.
Drefan schlug die Kapuze seines flachsenen Gewandes zurück. »Öffnet die Läden, damit ich etwas erkennen kann.«
Cara zog beide Läden auf, schob sie gegen die Wand und ließ Licht in das winzige Zimmer, so daß man einen blondschöpfigen Jungen sehen konnte, der bis zum Hals in ein weißes Laken und eine Decke eingehüllt war. Sein Hals war stark angeschwollen. Sein ungleichmäßiger Atem rasselte.
»Wie heißt er?« rief Drefan nach hinten zur Mutter.
»Kip«, weinte sie jämmerlich.
Drefan tätschelte dem Jungen die Schulter. »Wir sind hier, um dir zu helfen, Kip.«
Nadine drängte sich dazwischen. »Ja, Kip, wir werden dich im Nu wieder auf den Beinen haben.«
Sie legte die Hand wegen des fauligen Gestanks, der ihnen allen den Atem raubte, über Nase und Mund.
Der Junge reagierte nicht. Er hielt die Augen geschlossen. Das verschwitzte Haar klebte ihm auf seiner Stirn.
Der Hohepriester der Raug’Moss schlug die Bettdecke bis zu Kips Hüften auf, bis unterhalb der Hände, die auf seinem Bauch ruhten. Die Fingerspitzen des Jungen waren schwarz.
Drefan versteifte sich. »Gütige Seelen«, entfuhr es ihm kaum hörbar.
Er ließ sich auf die Fersen zurücksinken und tippte mit dem Handrücken gegen die Beine der beiden Mord-Sith, die sie von hinten überragten.
»Schafft Richard hier raus«, drängte er sie leise. »Schafft ihn raus, sofort.«
Ohne Fragen zu stellen, schoben Cara und Raina ihre Hände unter Richards Arme und schickten sich an, ihn hochzuzerren. Richard befreite sich mit einem Ruck aus ihrem Griff.
»Was soll das?« wollte er wissen. »Was ist?«
Drefan wischte sich mit der Hand über den Mund. Er blickte über die Schulter zu Yonick und seiner Mutter. Sein Blick erfaßte die übrigen und kam dann auf Richard zur Ruhe. Er beugte sich weiter vor.
»Der Junge hat die Pest.«
Richard starrte ihn an.
»Was haben wir, um ihn heilen zu können?«
Drefan zog die Augenbrauen hoch. Er wandte sich wieder dem Jungen zu und hielt eine seiner kleinen Hände hoch. »Sieh dir seine Finger an.« Sie waren schwarz. Er zog die Bettdecke zur Seite. »Sieh dir seine Zehen an.« Die waren ebenfalls schwarz. Er öffnete die Hose des Jungen. »Sieh dir seinen Penis an.« Auch dessen Spitze war schwarz.
»Das ist Brand. Er zersetzt die Gliedmaßen. Deswegen nennt man diese Krankheit den Schwarzen Tod.«
Richard räusperte sich. »Was können wir für ihn tun?«
Drefan senkte die Stimme noch mehr. »Hast du nicht gehört, was ich gesagt habe, Richard? Der Schwarze Tod. Manchmal erholen sich Menschen wieder von der Pest, aber nicht, wenn die Krankheit so weit fortgeschritten ist.«
»Wären wir eher zu ihm gekommen…« Nadine ließ ihren Vorwurf unbeendet.
Kahlans Hand krallte sich in Richards Arm. Er hörte, wie sie einen Aufschrei unterdrückte.
Richard funkelte Nadine wütend an. Sie wendete den Blick ab.
»Und, Kräuterfrau, weißt du, wie man die Pest kuriert?« fragte Drefan voller Spott.
»Na ja, ich –« Nadine wurde rot und verstummte.
Die Lider des Jungen öffneten sich flatternd. Er wälzte den Kopf in ihre Richtung.
»Lord … Rahl«, hauchte er flach atmend.
Richard legte ihm die Hand auf die Schulter. »Ja, Kip. Ich bin gekommen, um mir dich anzusehen. Ich bin hier.«
Kip nickte kaum merklich. »Ich habe schon gewartet.« Seine Brust hielt nach jedem Atemzug länger inne.
»Was könnt Ihr tun, um ihm zu helfen?« hörten sie eine tränenvolle Frage von der Tür. »Wann wird er wieder gesund werden?«
Drefan öffnete den Kragen seines weißen Rüschenhemdes und beugte sich noch näher zu Richard. »Sag irgend etwas Nettes zu dem Jungen – mehr können wir nicht tun. Er wird nicht mehr lange durchhalten. Ich gehe und spreche mit der Mutter. Das gehört zur Arbeit eines Heilers dazu.«
Sein Halbbruder erhob sich und zog Nadine mit sich fort. Kahlan lehnte sich an Richards Schulter. Er hatte Angst, sie anzusehen, weil sie dann in Tränen ausbrechen könnte. Weil er dann in Tränen ausbrechen könnte.
»Bald bist du wieder auf den Beinen und wirst Ja’La spielen, Kip. Du hast die Krankheit so gut wie überstanden. Ich würde gerne kommen und mir eins deiner Ja’La-Spiele ansehen. Ich verspreche dir, ich komme, sobald es dir wieder bessergeht.«
Ein schwaches Lächeln huschte über das Gesicht des Jungen. Seine Lider schlossen sich halb. Sein Brustkorb senkte sich, als der Atem aus seinen
Weitere Kostenlose Bücher