Der Tempel der vier Winde - 8
schwarz-weißen Marmorquadrate entgegengeschlendert. Jemand anderes näherte sich von rechts, von den Gästezimmern her. Richard verlangsamte den Schritt, blieb stehen und drehte sich um.
»Ulic, würdest du bitte General Kerson suchen gehen? Möglicherweise hält er sich im d’Haranischen Hauptquartier auf. Weiß jemand, wo sich General Baldwin befindet?«
»Er befindet sich wahrscheinlich im Palast Keltons, auf der Königsstraße«, antwortete Kahlan. »Dort wohnt er, seit er uns im Kampf gegen den Lebensborn zu Hilfe kam.«
Richard nickte erschöpft. Kahlan glaubte nicht, daß sie ihn schon einmal in schlimmerem Zustand gesehen hatte. Seine leblosen Augen blickten starr aus einem aschfahlen Gesicht hervor. Wankend suchte er nach Egan, der keine zehn Fuß entfernt stand.
»Egan, da bist du. Geh bitte General Baldwin holen. Wo er steckt, weiß ich nicht, aber du kannst dich ja durchfragen.«
Egan blickte unschlüssig zu Kahlan hinüber. »Sollen wir sonst noch jemand herbringen, Lord Rahl?«
»Sonst noch jemand? Ja. Sag ihnen, sie sollen ihre Offiziere mitnehmen. Ich bin in meinem Arbeitszimmer. Dort bring sie hin.«
Ulic und Egan schlugen sich mit der Faust aufs Herz, dann wandten sie sich ihren Aufgaben zu. Im Hinausgehen gaben sie den beiden Mord-Sith per Hand ein Zeichen. Cara und Raina stellten sich daraufhin näher an Richard heran und schirmten ihn ab, als Tristan Bashkar, auf der Hut wie immer, vor ihm stehenblieb.
Berdine näherte sich im Schlendergang von der anderen Seite, ihre gespannte Aufmerksamkeit ganz auf das aufgeschlagene Tagebuch in ihren Händen konzentriert. Sie schien völlig versunken in das zu sein, was sie gerade las, und wurde ihre gesamte Umgebung nicht gewahr. Kahlan hielt sie mit der Hand zurück, bevor sie in Richard hineinlief. Sie schwankte ein wenig wie ein Ruderboot, das an Land getrieben und auf Grund gelaufen war.
Tristan verneigte sich. »Mutter Konfessor, Lord Rahl.«
»Wer seid Ihr?« fragte Richard.
»Tristan Bashkar aus Jara, Lord Rahl. Ich fürchte, wir wurden einander noch nicht offiziell vorgestellt.«
Richards graue Augen erwachten funkelnd zum Leben. »Nun, habt Ihr Euch entschieden zu kapitulieren, Gesandter Bashkar?«
Tristan hatte sich gerade in Erwartung einer offiziellen Vorstellung erneut verneigen wollen. Er hatte nicht erwartet, daß Richard dem mit seiner Frage zuvorkommen würde. Er räusperte sich und richtete sich auf. Sein Gesicht verstrahlte ein unbekümmertes Lächeln.
»Ich weiß Euer Entgegenkommen zu schätzen. Die Mutter Konfessor hatte die Güte, mir zwei Wochen Zeit zu lassen, um die Zeichen der Sterne zu beobachten.«
Richards Stimme wurde kräftiger. »Ihr riskiert, daß Euer Volk Schwerter anstelle von Sternen zu sehen bekommt.«
Tristan knöpfte seine Jacke auf. Aus den Augenwinkeln sah Kahlan, wie Cara ihren Strafer mit einer ruckartigen Bewegung in die Hand nahm. Tristan bemerkte es nicht. Sein Blick blieb auf Richard gerichtet, während er seine Jacke nach hinten schob und sie durch seine beiläufig in die Hüfte gestemmte Faust zurückhielt. Dadurch wurde das Messer an seinem Gürtel sichtbar. Raina ließ ihren Strafer in die Hand schnellen.
»Lord Rahl, wie ich der Mutter Konfessor erklärte, sieht unser Volk dem Zusammenschluß mit dem D’Haranischen Reich mit großer Freude entgegen.«
»Mit dem D’Haranischen Reich?«
»Tristan«, warf Kahlan ein, »wir sind im Augenblick ziemlich beschäftigt. Wir haben das bereits besprochen, und man hat Euch zwei Wochen Zeit gegeben. Würdet Ihr uns jetzt bitte entschuldigen?«
Tristan strich eine Locke seines Haars zurück und musterte sie aus seinen hellbraunen Augen. »Ich werde also gleich zum Thema kommen. Ich hörte Gerüchte, in Aydindril sei eine Epidemie ausgebrochen.«
Richards Raubvogelblick kehrte plötzlich mit aller Schärfe zurück. »Das ist nicht nur ein Gerücht. Es stimmt.«
»Wie groß ist die Gefahr?«
Richards Hand fand das Heft seines Schwertes. »Solltet Ihr Euch der Imperialen Ordnung anschließen, Gesandter, werdet Ihr Euch wünschen, es sei die Pest und nicht ich, die über Euch kommen wird.«
Selten hatte Kahlan gesehen, daß zwei Menschen so schnell eine vollkommene Abneigung gegeneinander entwickelten. Sie wußte, daß Richard erschöpft und, nachdem er gerade so viele ernstlich erkrankte Kinder gesehen hatte, nicht bei Laune war, sich die Einwände eines Adligen vom Schlage Tristans anzuhören, der sich nach der Gefahr für seine eigene Haut
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