Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Tempel der vier Winde - 8

Der Tempel der vier Winde - 8

Titel: Der Tempel der vier Winde - 8 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Terry Goodkind
Vom Netzwerk:
doch der Mutterfels des Berges ist an der Stelle, wo der Tempel früher stand, weggebrochen. Der Tempel ist bis auf einige seiner Nebengebäude verschwunden. Dort gibt es nichts mehr. Tut mir leid, verehrter Großvater, aber in unserer Welt sind seine Wurzeln abgestorben und verrottet.«
    Die Seele stand da und schwieg. Kahlan befürchtete, sie könnte zornig werden.
    »Kind« , sprach die Seele, wenn auch nicht durch den Vogelmann. Die Stimme kam aus der Seele selbst. Der Laut war so schmerzhaft, daß sie ihn kaum ertragen konnte. Ihr war, als werde ihr das Fleisch von den Knochen gebrannt. »Den Winden wurde etwas gestohlen und in deine Welt gebracht. Du mußt Richard helfen, oder all mein Blut in deiner Welt, unser gesamter Stamm, wird sterben.«
    Kahlan schluckte. Wie konnte etwas aus der Welt der Seelen, der Welt der Toten, gestohlen und wieder in die Welt der Lebenden zurückgeschafft werden?
    »Kannst du mir helfen? Kannst du mir einen Hinweis geben, der mir hilft, den Tempel der Winde zu entdecken?«
    »Ich habe dich nicht hergerufen, um dir zu sagen, wie du den Tempel der Winde finden kannst. Die Wege der Winde werden sich mit dem Mond offenbaren. Ich habe dich hierher gerufen, damit du das Ausmaß dessen siehst, was freigesetzt wurde, und was aus deiner Welt werden wird, wenn man zuläßt, daß es weiterbesteht.«
    Die Seele des Großvaters breitete die Arme aus. Weiches Licht stürzte kaskadenartig von ihnen herab, wie Wasser, das über ein schmales Felsband fließt. Das Licht breitete sich in ihrem Blickfeld aus, bis sie nichts mehr außer ihm sah.
    Es klärte sich, und sie sah den Tod. Überall lagen Leichen, wie Laub, das im Herbst die Erde bedeckt. Sie lagen auf der Straße verstreut, wo sie gestürzt waren. Sie hockten auf Stufen, lehnten zusammengesunken an Geländern. Sie lagen in Hauseingängen und auf Leichenwagen. Kahlans Blick wurde wie auf den Schwingen eines Vogels durch Fenster getragen. Tote verwesten in ihren Häusern. Sie sah sie in Betten, auf Stühlen, in Fluren, hingestreckt auf dem Fußboden und übereinander gesunken.
    Der Gestank raubte ihr den Atem.
    Kahlan schwebte durch bekannte Ortschaften und Städte, und überall war es das gleiche. Der Tod hatte fast jeden dahingerafft, die Körper der Menschen wurden schwarz und faulig, noch bevor sie starben. Wohin sie sich auch wandte, überall weinten die wenigen Überlebenden voller Qualen.
    Sie kehrte ins Dorf der Schlammenschen zurück. Dort sah sie die Leichen von Menschen, die sie kannte. Neben den Kochfeuern lagen tote Mütter, die ihre toten Kinder in den Armen hielten. Tote Ehemänner umschlangen ihre toten Frauen. Da und dort trauerten verwaiste Kinder mit tränenverschmierten Gesichtern und weinten hysterisch neben den Leichen ihrer Eltern. Der Gestank war allenthalben so überwältigend, daß ihre Augen tränten.
    Kahlan unterdrückte ein Schluchzen und schloß die Augen. Es hatte keinen Sinn. Der Anblick der Toten brannte sich tief in ihre Seele ein.
    »Das« , sagte der Großvater, »wird sich zutragen, wenn das, was den Winden gestohlen wurde, nicht aufgehalten wird.«
    »Was kann ich tun?« fragte Kahlan leise weinend.
    »Die Winde wurden geschändet. Man hat gestohlen, was ihnen anvertraut wurde. Die Winde haben beschlossen, du sollst der Pfad des Prinzen sein. Ich bin gekommen, um dir die Folgen dieser Schändung vor Augen zuführen und dich im Namen meiner lebenden Nachkommen zu bitten, deinen Teil zu tun, sobald man dich darum bittet.«
    »Und was ist der Preis dafür?«
    »Man hat mir den Preis nicht gezeigt, aber ich warne dich vorab:
    Du hast keine Möglichkeit, dies zu umgehen oder zu vermeiden. Es muß geschehen, wie es dir offenhart wird, oder alles ist verloren. Ich möchte dich bitten, schlage den Weg ein, sobald die Winde ihn dir zeigen, denn sonst wird sich ereignen, was ich dir gezeigt habe.«
    Kahlan, der die Tränen in Strömen über die Wangen liefen, brauchte nicht lange nachzudenken. »Ich werde es tun, Großvater.«
    »Danke, Kind. Da ist noch etwas, das ich dir sagen möchte. In unserer Welt, in der die Seelen derer residieren, die aus deiner Welt gegangen sind, gibt es zum einen jene, die ihr Dasein im Licht des Schöpfers fristen, zum anderen die, die auf ewig durch den Hüter im Schatten seiner Herrlichkeit gehalten werden.«
    »Willst du damit sagen, daß sowohl Gute als auch Böse Seelen in diese Angelegenheit verwickelt sind?«
    »Das wäre eine übertriebene Vereinfachung, die fast den Blick auf

Weitere Kostenlose Bücher