Der Tempel der vier Winde - 8
Wenn er zuließe, daß die Angelegenheit außer Kontrolle geriet, konnte sie am Ende ihn selbst töten.
»Hat sie, wie du mir gezeigt hast, bereits auf andere Orte übergegriffen? Ist sie auch an diesen anderen Orten bereits ausgebrochen?«
»Ja« , war ein fernes, hallendes Flüstern zu hören.
Sie hatten gehofft, die Pest auf Aydindril beschränken zu können. Diese Hoffnung war dahin. Die gesamten Midlands, die ganze Neue Welt stand im Begriff, von jenem Feuersturm verwüstet zu werden, den der magische Funke aus dem Tempel der Winde entfacht hatte.
In der Mitte des Kreises, dort, wo die Seele sich befunden hatte, entstand ein Luftwirbel, als die Seele wieder in der Unterwelt entschwand.
In der Ferne, in der Unterwelt, hörte Kahlan den Widerhall des Lachens einer anderen Seele. Das boshaft vergnügte Lachen bereitete ihr eine Gänsehaut.
Als Kahlan aus der Trance der Versammlung erwachte, standen die Ältesten im Kreis um sie herum. Sie waren an diesen veränderten Seinszustand mehr gewöhnt als sie. Ihr drehte sich noch immer der Kopf, außerdem war ihr schlecht. Der Älteste Breginderin hielt ihr die Hand hin und bot sich an, ihr aufzuhelfen.
Als sie seine Hand ergriff, sah sie die Male unter der Hülle aus schwarzem und weißem Schlamm. Sie schaute hinauf in sein Gesicht, in sein freundliches, beruhigendes Lächeln. Er würde diesen Tag nicht überleben.
Ihr Freund Savidlin war zur Stelle und hielt ihre Kleider. Kahlan fühlte sich trotz des Schlamms plötzlich sehr nackt. Sie begann ihre Kleider überzustreifen und versuchte sich ihre Verlegenheit nicht anmerken zu lassen. Gleichzeitig schalt sie sich angesichts der bevorstehenden Katastrophe für derart weltliche Sorgen. In einer Versammlung ging es darum, die Seelen der Toten herbeizurufen, nicht darum, ob jemand Mann war oder Frau. Trotzdem, sie war die einzige des letzteren Geschlechts, während die anderen alle dem ersteren angehörten.
»Danke, daß du gekommen bist, Mutter Konfessor«, sagte der Vogelmann. »Wir wissen, diese Heimkehr ist nicht das freudige Ereignis, das wir uns alle gewünscht haben.«
»Nein«, antwortete sie leise, »das ist es wohl nicht. Mein Herz singt, weil ich mein Volk wiedersehe, aber das Lied ist getrübt von Traurigkeit. Wir werden nicht ruhen, bis diese Geschichte zu Ende gebracht ist.«
»Glaubst du, du kannst so etwas wie ein Fieber aufhalten?« fragte Surin. Savidlin legte ihr eine Hand auf die Schulter, als sie ihr Hemd zuknöpfte. »Die Mutter Konfessor und Richard haben uns schon einmal geholfen. Wir wissen, wie tapfer sie sind. Unsere Ahnen meinten, es handele sich um ein Fieber, das durch Magie ausgelöst wurde. Die Mutter Konfessor und ihr Sucher besitzen mächtige Magie. Sie werden tun, was sie tun müssen.«
»Savidlin hat recht. Wir werden tun, was wir tun müssen.«
Savidlin lächelte sie an. »Und wenn du fertig bist, wirst du dann nach Hause zu deinem Volk kommen und dich wie geplant trauen lassen? Meine Frau Weselan möchte sehen, wie ihre Freundin, die Mutter Konfessor, in dem Kleid getraut wird, das sie für dich genäht hat.«
Kahlan hätte am liebsten lauthals aufgeschrien. »Nichts würde mir mehr Freude bereiten, als euch alle wohlbehalten zu sehen.«
»Du bist eine große Freundin unseres Volkes, Kind«, sagte der Vogelmann. »Wir alle freuen uns auf die Hochzeit, wenn du mit dieser Angelegenheit der Seelen und der Magie fertig bist.«
Kahlan blickte in alle Augen, die auf sie gerichtet waren. Sie glaubte nicht, daß diese Männer Zeugen der Visionen des Todes, die man ihr gezeigt hatte, oder der wahren Ausmaße der Seuche, mit denen sie es zu tun hatten, geworden waren.
»Verehrte Älteste, wenn wir scheitern … wenn wir…«
Ihr versagte die Stimme. Der Vogelmann kam ihr zur Hilfe.
»Solltest du scheitern, Kind, dann werden wir trotzdem alle wissen, daß du alles getan hast, was in deiner Macht stand. Wenn es einen Pfad gibt, dann wirst du alles tun, um ihn zu finden, das wissen wir. Wir vertrauen auf dich.«
»Danke«, murmelte sie.
Die Welt verschwamm hinter Tränen. Sie zwang sich, den Kopf nicht hängen zu lassen. Sie würde diesen Menschen nur angst machen, wenn sie ihre eigene zeigte.
»Kahlan, du mußt Richard mit dem Zorn heiraten.« Der Vogelmann lachte leise vergnügt in sich hinein, als wollte er sie aufmuntern. »Er hat sich bereits einmal einer Hochzeit mit einer Frau der Schlammenschen entzogen. Der Hochzeit mit dir wird er nicht entgehen, wenn ich etwas in der
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