Der Tempel der vier Winde - 8
hinten gegen die Wand, ging mit einem schmerzhaften Ächzen taumelnd auf die Knie und bekam keine Luft mehr.
Der Mann rechts erstarrte. Jetzt hieß es Mann gegen Mann. Dem Gesicht nach war er noch ein Junge. Mit dem für junge Burschen typischen Mut nahm er die Beine in die Hand und rannte los.
Er feixte. Es gab kein perfekteres Ziel als den Kopf eines laufenden Menschen. Der Kopf verharrte beinahe vollkommen bewegungslos, während Arme und Beine hektisch ruderten. Das Ziel wurde in seinem Blick zu einem Zentrum der Ruhe.
Er warf das Messer. Der Junge rannte, so schnell ihn seine hektisch pumpenden Beine trugen. Das Messer war schneller und versank mit einem dumpfen Geräusch im Ziel. Der jugendliche Räuber ging augenblicklich zu Boden.
Der dritte Mann rappelte sich gerade auf. Er war älter, muskelbepackt, schwer und außer sich vor Zorn. Gut.
Ein seitlicher Tritt zertrümmerte dem Kerl die Nase. Vor Wut und Schmerzen heulend, warf sich der Mann nach vorn. Er sah das Aufblinken von Stahl, duckte sich seitlich weg und trat dem Kerl dabei die Füße unterm Körper weg. Das alles geschah in einem einzigen Augenblick. Es war eine prachtvolle Nummer, dieser gefährliche, tobende Stier, der wie von Sinnen attackierte.
Er sog die Einzelheiten in sich auf: die Kleidung des Mannes, der kleine Riß hinten in seinem Mantel, der abgewetzte Stoff, in dem sich das ferne Licht spiegelte, sein krauses, fettiges Haar, das kleine Stück, das ihm im rechten Ohr fehlte, die Art, wie er zusammensackte, als ihn der Stiefel zwischen den Schultern traf.
Während er dem Kerl den Arm auf den Rücken drehte, bemerkte er das Blut. Blut war etwas, dessen Spuren er sorgfältig zurückverfolgte. Dieses Blut war eine Überraschung. Er hatte den Mann mit dem Messer nicht verletzt – noch nicht. Das Blut stammte auch nicht aus der zertrümmerten Nase des Mannes.
Selten überkam ihn ein so wohliger Schauer der Überraschung wie angesichts dieses Blutes, das er nicht erwartet hatte.
Er gewahrte, daß der Mann vor Schmerzen schrie. Daher warf er sich auf den Rücken des Mannes und hämmerte ihm den Handballen auf den Kopf, daß die Zähne des Kerls auf dem Straßenpflaster zersplitterten – was ihn ein wenig ruhiger machte. Er packte das fettige Haar mit der geballten Faust, riß den Kopf des Mannes nach hinten und lauschte seinem Stöhnen.
»Raub ist ein gefährliches Geschäft. Wird Zeit, daß du den Preis dafür bezahlst.«
»Wir hätten dir nichts getan«, lallte der Mann. »Wir hätten dich bloß ausgenommen, du Bastard.«
»Bastard, ja?«
Behutsam, langsam, jeden einzelnen Zoll genießend, schlitzte er dem sich heftig wehrenden Mann die Kehle auf.
Welch unerwartetes Vergnügen diese Nacht ihm beschert hatte. Er hob die Hände, krümmte seine Finger und fischte in einer wischenden Bewegung die Quintessenz des Todes aus der Luft, fing dessen seidige Substanz im selben Augenblick ein, als sie in die Dunkelheit aufstieg, und zog sie zu sich zurück.
Er war die Erfüllung ihres Lebens. Er war das Gleichgewicht. Er war der Tod. Er genoß es, diese Erkenntnis in ihren Augen abzulesen. Am liebsten hatte er es, wenn er sich in diesem Blick, dieser Erkenntnis, diesem … Grauen sonnen konnte. Es verschaffte ihm Befriedigung. Es machte ihn vollkommen.
Er erhob sich, wankend vor Ekstase über den satten Geruch des Blutes. Er bedauerte, daß es so kurz gedauert hatte und er ihre Schreie nicht länger hatte hinauszögern können. Sie waren Wonne. Es verlangte ihn nach ihnen, er brauchte sie, war wie versessen auf sie. Sie erfüllten ihn, machten ihn zu einem Ganzen. Er brauchte die Schreie, nicht eigentlich das Geräusch – oft knebelte er seine Partner –, sondern den Versuch zu schreien, und das, wofür sie standen: blankes Entsetzen.
Daß ihm verwehrt wurde, die Schreie des Entsetzens in aller Ruhe zu genießen, ließ ihn unbefriedigt. Seine Lust war nicht gestillt.
Er schlich die Gasse entlang und stellte fest, daß sein Messer so präzise getroffen hatte wie immer. Der Junge lag zusammengebrochen auf der Seite. Er sah großartig aus, mit dem Messer, das bis zum Heft in seinem Hinterkopf steckte, und der schweren Klinge, deren Spitze ein wenig seitlich der Mitte aus der Stirn hervorschaute.
Übersättigt von einem Übermaß aus Empfindungen stellte er plötzlich fest, daß er noch etwas verspürte: Schmerz.
Überrascht untersuchte er seinen Arm und sah, woher das unerwartete Blut kam. An der Außenseite seines rechten Unterarms
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