Der Tempel der vier Winde - 8
weiter und sehen, ob ich nicht einen anderen…«
»Das Kleinste, was ich habe, ist eine Silbermünze. Aber ich wäre bereit, dir die ganze Silbermünze zu geben, vorausgesetzt, du läßt dir Zeit und hast auch dein Vergnügen. Ich mag es, wenn eine junge Frau wie du sich amüsiert. Ja, das gefällt mir.«
»Was für ein Schatz«, schnurrte sie mit aufgesetztem, übertriebenem Entzücken, als sie die Silbermünze nahm, die er ihr hinhielt.
Sie stank. Ihr Lächeln zauberte keinerlei Schönheit auf ihr Gesicht, und doch weidete er sich an den Einzelheiten: an ihrem derben Haar, ihrem Körpergeruch, der krummen Nase und den zu kleinen Augen. Sie war ordinär, billiger, als ein Mann seines Ranges es gewohnt war, aber gerade das hatte seinen ganz eigenen Reiz.
Er horchte aufmerksam, während er sie betrachtete. Andere Einzelheiten waren sogar noch wichtiger, wenn er vollen Genuß erzielen wollte.
Sie zog sich in den Eingang zurück und setzte sich auf einen Hocker, der dort stand. Der Eingang war gerade tief genug für sie beide, so daß er den Rücken der Gasse zukehrte, wenn er sich vor ihr aufbaute.
Es ärgerte ihn, daß sie ihn für so dumm, so töricht, für einen solchen Hitzkopf hielt. Sie würde bald begreifen, wie sehr sie sich täuschte.
Sie drückte ihm einen Kuß vorne auf die Hose und nestelte an seinem Gürtel herum. Lange würde es nicht dauern. Sie würde wollen, daß es rasch ging, damit sie weiterziehen konnte, um im Schutz der Nacht so viel Geld wie nur möglich abzukassieren.
Bevor sie ihm die Hose aufmachen konnte, ergriff er zärtlich eines ihrer Handgelenke. Es wäre nicht gut, wenn ihm die Hosen um die Knie hingen, wenn es anfing. Nein, das wäre gar nicht gut.
Lächelnd blickte sie zu ihm hoch, sichtlich verwirrt, aber ebenso erkennbar überzeugt, ihn mit ihrem Lächeln zu betören. Lange würde er es nicht ertragen müssen. In Kürze wäre es vorbei.
Dunkel genug war es. Zu dunkel, um mit Sicherheit erkennen zu können, was er tat. Die Menschen sahen stets, was sie zu sehen erwarteten.
Während sie ihn noch immer anlächelte und bevor sie Zeit hatte, Fragen zu stellen, griff er mit seiner anderen Hand nach unten und faßte sie im Nacken. Sie dachte, er wollte sie einfach festhalten, während sie ihren Liebesdienst versah.
Perfekt, wie sie ihren Kopf nach hinten neigte.
Mit einem Daumen und vor Anstrengung leise ächzend, zerquetschte er ihr die Luftröhre.
Das Lächeln ging auf sein Gesicht über. Der würgende Laut würde keinen unmittelbaren Verdacht erregen. Die Menschen hörten, was sie zu hören erwarteten, genau wie sie sahen, was sie erwarteten zu sehen. Er beugte sich über sie, damit es so aussah, wie man es erwartete, und preßte ihr das Leben aus dem Leib.
»Überraschung«, sagte er leise in ihre hervorquellenden Augen.
Er ergötzte sich an ihrer entsetzten Miene, dem Ausdruck des Erdrosseltwerdens. Als ihre Arme erschlafften, ließ er diese los und hielt sie mit der Faust in ihren Haaren hoch. Er bog ihren Kopf nach hinten über seinen Oberschenkel, damit sie aufrecht blieb, und wartete.
Sekunden später vernahm er die vorsichtig von hinten nahenden Schritte. Mehr als einer, genau wie er es sich gedacht hatte. Nun wußte er, was hier gespielt wurde: Raub.
Nur noch Sekunden, dann waren sie da. Die Zeit dehnte sich für ihn in der Vorfreude auf das, was er sehen, hören, riechen würde. Er war der einzigartigste aller Menschen. Die Zeit gehörte ihm. Das Leben gehörte ihm. Der Tod gehörte ihm.
Jetzt war es an der Zeit, sein Vergnügen zum Höhepunkt zu steigern.
Er drückte ihr sein Knie gegen die Wirbelsäule und brach ihr mit einem Ruck das Genick. Er wirbelte herum, riß das Messer hoch, bohrte es dem Kerl, der unmittelbar hinter ihm stand, in den Bauch und schlitzte ihn von den Lenden bis zum Brustbein auf. Mit einer raschen Drehung war er an dem Mann vorbei, dessen Eingeweide klatschend auf die Gasse fielen.
Er hatte einen weiteren Mann erwartet. Statt dessen waren es zwei. Für gewöhnlich hatte eine Frau wie sie zwei Kerle dabei, die den Freier ausnahmen. Drei hatte er noch nicht gesehen. Angesichts der unerwarteten Bedrohlichkeit dieser Entwicklung wurde ihm ganz schwindelig vor Lust.
Der zweite Kerl rechts von ihm holte aus. Er sah das Messer in seiner Faust und wich dem Schwung der Klinge mit einem Schritt nach hinten aus. Als der dritte vorrückte, stieß er ihn mit einem Stiefeltritt gegen das untere Ende des Brustbeins zurück. Der Mann schlug
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