Der Tempel der vier Winde - 8
der Prophezeiungen in ihnen verraten habt. Nathan wollte verhindern, daß der Traumwandler das Wissen für sich nutzen kann.«
»Verstehe«, sagte Verna. »Dann war es wohl ein Glück für uns, daß wir uns bereit erklärt haben …. Lord Rahl den Treueschwur zu leisten und Euch zu begleiten.«
Clarissa nickte. »Nathan meinte, ich sollte Euch die Chance bieten, in jedem Fall aber sollte ich das Medaillon öffnen und es dort verstecken. Die Tatsache, daß Jagang sowohl Warren als auch die Prophezeiungen in seiner Gewalt hatte, hätte alles ruinieren können, falls Ihr Jagang etwas Wichtiges enthüllt.«
Verna blies resigniert die Wangen auf. Sie und Warren sahen sich an.
»Ich kann kaum glauben, daß ich nach all der Zeit den Propheten endlich kennenlernen soll«, meinte Warren. »Es ist noch nicht lange her, da hatte ich die Hoffnung bereits aufgegeben, und jetzt…«
Verna schnalzte spöttisch. »Vom Regen in die Traufe. Ich kann nicht glauben, daß ich diesem verrückten alten Kerl die Treue geschworen habe.«
Clarissa beugte sich vor. »Nathan ist wundervoll. Er ist nicht alt.«
Verna lachte schallend. »Ihr habt ja keine Ahnung, Kind.«
»Und verrückt ist er ebenfalls nicht. Nathan ist der gütigste, wunderbarste, großzügigste Mann, der mir je begegnet ist.«
Verna blickte hinunter auf Clarissas Busen, dann wieder hoch in ihre Augen. Sie hatte diesen Blick im Gesicht, an den Clarissa sich inzwischen gewöhnt hatte.
»Ja, mein Kind, so wird es sein.«
»Ihr hättet keinem besseren Mann Treue und Ergebenheit schwören können«, setzte Clarissa hinzu. »Nathan ist nicht nur rücksichtsvoll und freundlich, er ist auch ein mächtiger Zauberer. Ich habe mit eigenen Augen mit angeschaut, wie er einen anderen Zauberer in ein Häuflein Asche verwandelt hat.«
Verna runzelte die Stirn. »Einen anderen Zauberer?«
Clarissa nickte. »Er hieß Vincent. Vincent, ein weiterer Zauberer und zwei Schwestern, Jodelle und Willamina, statteten Nathan einen Besuch ab. Sie haben versucht, ihn zu verletzen. Daraufhin hat Nathan Vincent in ein Häuflein Asche verwandelt.«
Verna zog erstaunt die Braue hoch.
»Anschließend«, fuhr Clarissa fort, »waren sie alle sehr höflich zu Nathan, und Jagang erklärte sich einverstanden, das Buch« – dabei tippte sie auf den Band in ihrem Schoß – »Nathan zu überlassen. Jagang meinte, Nathan könne entweder das Buch oder Schwester Amelia bekommen. Und jetzt hat er beides. Nathan hat große Pläne. Eines Tages wird er die Welt beherrschen.«
Verna und Warren wechselten einen vielsagenden Blick. Clarissa sah Amelia an.
»Was ist das für ein Buch, Amelia?«
»Ich habe es aus dem Tempel der Winde gestohlen«, erklärte Amelia mit heiserer, belegter Stimme. »Daher bin ich die einzige, die es benutzen kann. Ich habe die Pest ausgelöst. Tausende haben wegen meiner Untat bereits den Tod gefunden. Auf diese Weise hat Jagang Richard vernichtet.
Dem Schöpfer sei Dank, daß wir Nathan haben, der uns über die Bande beschützt.«
»Gütiger Schöpfer«, meinte Verna leise, »auf was haben wir uns bloß mit unserem Eid auf einen Kerl wie Nathan eingelassen?«
63. Kapitel
Richard erhob sich vom Stuhl des Zauberers, als er die Seele bemerkte, die auf ihn zuschwebte. Er konnte keine bestimmte Seele herbeirufen, und nicht immer kannte er die, die ihn aufsuchten, bei dieser jedoch war es der Fall. Mit dieser verband ihn eine tiefe, persönliche Beziehung.
Die Person, die diese Seele einst gewesen war, hatte er verabscheut und gefürchtet. Ein einziges Mal nur hatte er sie verstanden, und erst nachdem er ihr das, was sie im angetan hatte, vergeben hatte, war es ihm möglich gewesen, Erlösung zu finden. Diese Seele hatte er getötet und sie durch diese Tat von ihrer Qual erlöst.
Dafür hatte die Seele Kahlan und Richard später an besagtem Ort zwischen den Welten zusammengeführt.
»Richard«, rief die Seele, die zu lächeln schien.
»Denna.«
»Wie ich sehe, trägst du einen Strafer. Aber nicht meinen.«
Richard schüttelte langsam den Kopf. »Er gehört einer anderen MordSith, die durch meine Schuld gestorben ist.«
»Raina. Ich kannte sie in der Welt des Lebendigen, und hier kenne ich sie auch. Sie ist erst nach der Schändung des Tempels der Winde in die Welt der Seelen hinübergewechselt, deshalb ist es ihr nicht gestattet, dich hier aufzusuchen. Sie gehört nicht zu jenen, die Einfluß auf die beteiligten Kräfte haben, da sie dich und die Winde betreffen. Du sollst
Weitere Kostenlose Bücher