Der Tempel der vier Winde - 8
sie …?«
»Nein.« Er machte eine gereizte Handbewegung. »Zieht ihr die Stiefel aus.«
Nadine ging schwerfällig um sie herum und tat, was man ihr aufgetragen hatte. Er drehte sich leicht in Kahlans Richtung, so als wollte er sie aus den Tiefen seiner Kapuze heraus betrachten. »Wußtet Ihr, wo sich dieser bestimmte Nerv in meinem Arm befindet, oder war das einfach Glück?«
Kahlan musterte den Schatten und versuchte seine Augen zu erkennen. Es war unmöglich. »Ich wurde in diesen Dingen ausgebildet – damit ich mich und andere verteidigen kann.«
»Ich bin beeindruckt. Mit solchen Kenntnissen über die Nerven könntet Ihr lernen, wie man heilt, anstatt den Menschen weh zu tun.« Er richtete seine Aufmerksamkeit auf Nadine. »Drückt die dritte vordere Achse des Rückenmeridians nach unten.«
Nadine zog ein Gesicht. »Was?«
Er fuchtelte mit der Hand herum und zeigte es ihr. »Zwischen der Sehne hinten an ihrer Ferse und dem Knochen, der zu den Seiten hin vorsteht. Drückt dort mit Daumen und einem Finger zu. An beiden Knöcheln.«
Nadine tat, wie ihr geheißen, während Drefan mit seinen beiden kleinen Fingern hinter Caras Ohren und gleichzeitig mit den beiden Daumen auf ihren Schultern zudrückte. »Fester, Frau.« Er legte Cara beide Handflächen übereinander auf das Brustbein.
»Jetzt den zweiten Meridian«, brummte er.
»Was?«
»Geht einen halben Zoll nach unten und wiederholt dort dieselbe Prozedur. An beiden Knöcheln.« Er glitt mit Fingern hoch zu Caras Kopf, konzentrierte sich ganz auf seine Arbeit. »Sehr gut. Den ersten Meridian.«
»Wieder einen halben Zoll nach unten?« fragte Nadine.
»Ja, ja. So beeilt Euch doch.«
Er hielt Caras Ellenbogen zwischen Daumen und Zeigefinger und hob sie beide ein paar Zoll in die Höhe.
Schließlich ließ er sich mit einem Seufzer auf die Fersen zurücksinken. »Erstaunlich«, murmelte er wie zu sich selbst. »Das ist nicht gut.«
»Was denn?« wollte Kahlan wissen. »Soll das heißen, daß Ihr ihr nicht helfen könnt?«
Er machte eine wegwerfende Handbewegung, so als wäre er zu beschäftigt, um zu antworten.
»Antwortet mir«, hakte Kahlan beharrlich nach.
»Wenn ich will, daß Ihr mich behelligt, Frau, dann werde ich Euch darum bitten.«
Nadine beugte sich vor und legte den Kopf schief. »Habt Ihr eigentlich eine Ahnung, mit wem Ihr sprecht?« Sie deutete mit dem Kinn auf Kahlan.
Er war damit beschäftig, Caras Ohrläppchen abzutasten. »Ihrem Aussehen nach würde ich sagen mit irgendeiner Putzfrau. Einer, die dringend ein Bad benötigt.«
»Ich habe gerade ein Bad genommen«, erwiderte Kahlan kaum hörbar.
Nadine senkte gewichtig die Stimme. »Ihr tätet gut daran, ein wenig Respekt an den Tag zu legen, Heiler. Ihr gehört der gesamte Palast hier. Alles. Sie ist die Mutter Konfessor höchstpersönlich.«
Er strich Cara mit dem Finger über die Innenseite ihrer Oberarme. »Tatsächlich? Nun, das ist schön für sie. Und jetzt seid bitte still, alle beide.«
»Außerdem ist sie die Verlobte von Lord Richard Rahl.«
Drefans Hand erstarrte. Sein ganzer Körper spannte sich an.
»Und da Lord Rahl der Herrscher D’Haras ist und Ihr aus D’Hara stammt«, fuhr Nadine fort, »macht ihn das vermutlich zu Eurem Dienstherrn. An Eurer Stelle würde ich gegenüber der zukünftigen Frau von Lord Richard Rahl ein wenig mehr Respekt an den Tag legen. Ich habe gesehen, wie er Leuten für ihre Grobheiten die Zähne ausgeschlagen hat.«
Drefan bewegte keinen Muskel.
Kahlan fand, daß Nadine es sehr derb formuliert hatte, bezweifelte aber, daß man es deutlicher hätte ausdrücken können.
»Und nicht nur das«, fügte Nadine hinzu, »sie ist es auch gewesen, die den Meuchelmörder getötet hat. Mit Magie.«
Endlich räusperte sich Drefan. »Verzeiht mir, Herrin…«
»Mutter Konfessor«, verbesserte Kahlan ihn.
»Ich bitte untertänigst um Verzeihung … Mutter Konfessor. Ich hatte keine Ahnung. Ich hatte nicht die Absicht, einen…«
Kahlan schnitt ihm das Wort ab. »Verstehe. Ihr wart mehr darum bemüht, Cara hier zu heilen, als Euch mit Förmlichkeiten abzugeben. Genau wie ich. Könnt Ihr ihr helfen?«
»Ja.«
»Dann fahrt bitte fort damit.«
Er wandte sich augenblicklich wieder Cara zu. Stirnrunzelnd verfolgte Kahlan, wie seine Hände nach einem bestimmten Muster über den dahingestreckten Körper glitten, wobei seine Finger unter einer nicht erkennbaren Anstrengung zu zittern begannen.
Nadine, zu Caras Füßen, verschränkte erneut die
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