Der Tempel zu Jerusalem
arbeitete an einem Plan, der in seinem Kopf allmählich
Gestalt annahm. Er hatte sich vom Tempel von Edfu in Oberägypten inspirieren lassen,
den Imhotep geschaffen hatte und dessen Zeichnung in den Archiven im Haus des
Lebens aufbewahrt wurde.
Hiram wurde
in seinen Gedanken durch Geschrei und Gehämmer auf die Tür gestört. Als er sie
aufmachte, schob sich Kaleb mit dem Arm voller Lebensmittel ins Haus.
«Nimm am
Passahfest teil, mein Fürst! Hier ist gebratenes Lamm mit Lorbeer und
Basilikum, Matze mit Paprikasoße und Wein aus Samaria… sehr guter Wein, sehr…»
Sturzbetrunken
sackte der Hinkefuß zusammen.
Hiram ließ
ihn liegen.
Da die Gassen jetzt verlassen
lagen, ging er mit dem Hund aus und schlängelte sich zwischen liegenden Leibern
hindurch. Das Festmahl hatte zahlreiche Opfer gefordert, die erst nach mehreren
Stunden totenähnlichen Schlafs wieder zu Bewußtsein kommen würden.
Anup bellte,
warnte seinen Herrn vor einer drohenden Gefahr.
Ungefähr
hundert Schritt vor ihm tauchte Banajas an der Spitze eines Trupps Soldaten
auf. Die groben Züge des Generals strahlten so zufrieden, daß es nichts Gutes
verhieß.
Hiram blieb
wie angewurzelt stehen. Der Hund drückte sich an sein Bein. Banajas, der sich
sein Schwert umgebunden hatte, redete den Fremdling mit rauher Stimme an.
«Meister
Hiram, König Salomo fordert dich auf, unverzüglich vor ihm zu erscheinen.»
Kapitel 22
Salomo begrüsste
Hiram im Audienzsaal, wo er auch fremdländische Würdenträger empfing.
Der Herrscher saß auf seinem Thron und hatte eine strenge, fast feindselige
Miene aufgesetzt.
Der
Baumeister zeigte nicht das kleinste Anzeichen von Demut und blieb in einiger
Entfernung stehen.
«Wer bist du
in Wahrheit, Meister Hiram?»
«Ein
Handwerker, der es in seinem Beruf weit gebracht hat.»
«Wie soll ich
das glauben nach dem, was sich gerade getan hat? Wie könnte es ein schlichter
Arbeiter wohl erreichen, daß die Königin von Saba mir eine Botschaft schickt
und mir die baldige Ankunft einer Ladung Rotgold ankündigt?»
«Das verdanke
ich der Freundschaft, Majestät. Unsere Bruderschaft ist mächtiger, als du es
dir vorstellen kannst. Die Königin möchte einen prächtigen Palast und einen
Tempel mit vollendeten Proportionen haben. Daher überhäuft sie ihren
Oberbaumeister mit Ehren, und der ist für mich wie ein Bruder. Er hat meiner
Bitte entsprochen und ist bei der Herrscherin vorstellig geworden, deren erster
Ratgeber er außerdem noch ist.»
Hirams Erklärungen
konnten überzeugen, auch wenn der ironische Ton, in dem sie vorgebracht wurden,
Salomo verletzte. Die israelitische Diplomatie hatte sich als unfähig erwiesen,
die Königin von Saba zum Einlenken zu bewegen. Die Expedition des Königs war
ein jämmerlicher Reinfall gewesen. Und dann kam dieser Fremdling daher, wohnte
erst seit kurzem in Jerusalem und erteilte dem ganzen Land eine Lehre in
Tüchtigkeit.
«Ich muß mich
bei dir bedanken, Meister Hiram. Möchtest du an die Spitze meiner Diplomatie
treten?»
«Majestät,
ein Oberbaumeister verläßt seine Bruderschaft nicht.»
Salomo erhob
sich und trat vor Hiram. Zwei Ellen vor ihm blieb er stehen und blickte seinem
Gesprächspartner fest in die Augen.
«Auch nicht,
um König zu werden?»
Hiram hielt
dem Blick stand.
«Auch nicht,
um König zu werden.»
«Was wünschst
du dir, Meister Hiram?»
«Daß die Baustelle nach
meinen Vorstellungen eingerichtet wird. Sieht es unser Bündnis nicht so vor?»
«Dann los,
Meister Hiram, ans Werk.»
Der
Baumeister entfernte sich, und Salomo las den erstaunlichen Brief der reichsten
Frau der Welt noch einmal. Sie würde phönizischen Seeleuten mindestens
dreiundzwanzig Tonnen Gold anvertrauen, die diese dann nach Israel bringen
würden. Mit ihrem ungemein ausgeprägten Gespür für internationale Beziehungen
hatte die Königin von Saba davon abgesehen, die ägyptische Handelsflotte um
diesen Dienst zu bitten.
Bei genauerer
Überlegung deutete dieses abgekartete Spiel mit den Phöniziern auf ein
Eingreifen des Königs von Tyros hin. Hiram hatte geprahlt. Nicht er und sein
Berufsfreund hatten die Einstellung der Königin verändert, sondern der
gerissene Herrscher der Handelsstadt. Zweifellos hatte er sich den Transport
gut bezahlen lassen. Wenn er Salomo reicher machte, konnte er im Austausch
gegen Baumaterialien für den Tempel einen guten Teil dieses Goldes in die
eigene Tasche stecken. Und war der König von Israel nicht außerdem
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