Der Tempel zu Jerusalem
die Kupferverarbeitung
gewöhnt. Hiram kannte jeden beim Namen. Wenn er sie demnächst benötigte, würden
sie ihn nicht im Stich lassen.
Kaum hatte er den Hang des
ersten Hügels in Angriff genommen, als eine Staubwolke einen sich nähernden
Reiter ankündigte.
Anup bellte.
Hiram blieb
stehen und faltete die Hände über dem Knauf seines Steckens.
Der Mann ließ
sein Pferd steigen, daß es über dem Oberbaumeister dräute.
«Bist du der,
den sie Meister Hiram nennen?»
«Das bin
ich.»
Der Reiter
mit dem roten Haar und dem mächtigen Leib zog wie wild an den Zügeln, weil er
sein aufsässiges Pferd zügeln wollte.
«Ich heiße
Jerobeam. Salomo hat mich damit beauftragt, Pferdeställe zu bauen. Alle
Baustellen im Königreich unterliegen meiner Kontrolle.»
«Mit Ausnahme meiner», berichtigte
Hiram.
«Es wird
keine Ausnahme geben», verhieß Jerobeam. «Entweder du unterwirfst dich meinem
Oberbefehl, oder du kehrst nach Tyros zurück.»
«Ich kenne
keine andere Oberhoheit als die des Königs von Israel. Wenn du schon befehlen
willst, verstehst du dann wenigstens etwas von der Kunst des Bauzeichnens?»
Der rothaarige Riese brauste
auf.
«Deine
Geheimnisse, Meister Hiram, sind nichts als Wahnbilder. Stelle dich mir nicht
entgegen und komme mir nicht in die Quere. Andernfalls…»
«Andernfalls?»
Das Pferd
stieg erneut.
Jerobeam riß
es herum und sprengte in scharfem Galopp davon.
Kapitel 23
Die
Nacht war hell und rot. Ein rötlicher
Mond zog die besorgten Blicke der Einwohner Jerusalems auf sich. War das nicht
ein schlechtes Vorzeichen? Verriet dieser unheilvolle Schein nicht Jahwes Zorn?
Dennoch herrschte Frieden in Israel. Das Land wurde immer reicher. Seine
Nachbarn hatten Achtung vor ihm. Salomos Ruhm wuchs und wuchs. Doch da war
seine Frau, diese Ägypterin, die weiterhin den falschen Göttern opferte. Wenn
sie nicht die Gemahlin des Königs gewesen wäre, eine Rächerhand hätte ihr
längst den Lebensfaden abgeschnitten.
Nagsara
betete immer häufiger zu Hathor. Sie spielte in ihrem Schlafgemach das Sistrum,
ein Musikinstrument mit metallischem Klang, der dem Herzen der Göttin angenehm
war. Ihre Bemühungen waren nicht vergebens. Salomo hatte eine Nacht bei ihr
verbracht und ein Feuer gezeigt, das sie schon für immer erloschen gehalten
hatte. Nagsara hatte nichts gefordert. Stumm hatte sie sich wie eine beliebige
Nebenfrau damit begnügt, ihrem Gemahl zu gefallen. Der König, der eine Flut von
Beteuerungen, ja sogar Beschimpfungen befürchtet hatte, wußte die maßvolle
Haltung seiner Frau zu schätzen. Wenn das Liebesspiel gelingen sollte, durfte
man sich nicht zanken.
Salomo wußte,
daß sich Nagsara der Magie bediente, weil sie seine Gefühle beherrschen wollte.
Mehrere Male hatte er Elihap befohlen, ihr zu folgen und die Riten zu
beobachten, denen sie sich widmete. Israels König unterschätzte die Gaben
seiner Gemahlin durchaus nicht. Wenn sie mit Hathor sprach, drehte er
vorsichtshalber Jahwes Siegel in Richtung Boden. Auf diese Weise wendete er den
Zauber der Ägypterin von sich ab, der dann in die Erde ging.
Warum hielt
sich Hiram nur so lange in Ezjon-Geber auf? Gewiß, es war wichtig, daß sie
Kupfer herstellten, aber der Hafen war so weit von Jerusalem entfernt. Wann
würde ihm der Baumeister einen ersten Plan vorlegen? Wann würde er sich endlich
mit dem Beginn des Baus beschäftigen, von dem das Schicksal Israels abhing?
Salomo hatte bereits daran gedacht, einen anderen Baumeister einzustellen.
Hiram war zu scheu, zu heimlichtuerisch. Aber er verstand sich auf die Kunst des
Bauzeichnens, wie es nicht viele Baumeister von sich behaupten konnten. Wer
wäre fähig, ihn zu ersetzen?
Doch Salomos
Geduld ging allmählich zu Ende. Heute abend noch. Morgen würde er Jerobeam
bitten, mit der Einstellung von Arbeitern weiterzumachen. Der König hatte von
der Königin von Saba Rotgold erhalten. Er konnte Hunderte von Handlangern
bezahlen und die edelsten Materialien heranschaffen lassen. Jetzt weiterhin die
Hände in den Schoß zu legen wäre ein unverzeihlicher Fehler. Hatte Hiram etwa
enttäuscht oder verbittert Israel verlassen?
Salomo begab
sich zum Fuß des Felsens, auf dem er seinen Tempel bauen wollte. Er hob den
Blick zum Gipfel, einem Vorsprung, der den Hügel Ophel überragte. Diese
Felsnase von weit über tausend Ellen Höhe, die Jerusalem bekrönte, verlieh der
Stadt eine Ausrichtung zum Himmel. David hatte seine Stadt befestigt, Salomo
wollte eine heilige
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