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Der Tempel zu Jerusalem

Der Tempel zu Jerusalem

Titel: Der Tempel zu Jerusalem Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian Jacq
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Schiffbrüchigen zu Hilfe eilte, der
lief nicht Gefahr, im Ozean des Jenseits zu ertrinken. Hiram hatte diesen
Freund des Menschen schon oft in den Nebenarmen des Deltas erlebt. Zuweilen
schwamm er im Nil bis nach Memphis, und das zur hellen Freude der Kinder, von
denen er sich füttern und streicheln ließ.
    Ein Freund…
Der Oberbaumeister mußte darauf verzichten, sich einen unter den Männern seiner
Umgebung zu suchen.
    «Verlasse
Israel», forderte Elihap knapp.
    Hiram
antwortete nicht. Elihap, der Ägypter, den der Pharao zum Spionieren an den israelitischen
Hof geschickt hatte, war seiner Aufgabe wider Erwarten gut nachgekommen. Er
schuldete Hiram Hilfe, wenn ihm sein Leben lieb war, doch er wußte nichts von
dem wahren Namen des Oberbaumeisters und daß er Ägypter war. Eigentlich hätte
er ein zuverlässiger Verbündeter sein sollen, dem sich Hiram anvertrauen
konnte.
    «Verlasse
Israel», wiederholte Salomos Schreiber. «Bei Hofe liebt dich keiner, und auf
dieser Erde folgt dir nur Unglück. Kehre nach Tyros zurück, nimm wieder dein
Wanderleben auf und baue anderswo.»
    «Bist du
gegen einen prächtigen Tempel in Jerusalem?»
    «Eine
Narretei», bestätigte Elihap. «Sie ruiniert Israel und führt Salomo ins
Verderben. Wenn die Katastrophe sichtbar wird, bist du der erste, den man
anklagt. Ich will weder deinen Tod noch den Niedergang dieses Landes. Auch wenn
ich in Ägypten geboren bin, auch wenn ich noch immer glaube, daß mich der Gott
Apis schützt, so bin ich doch zum Hebräer geworden. Dieses Volk ist jetzt auch
mein Volk. Ich bin Salomos Diener. Wenn er seiner Eitelkeit nicht nachgibt und
wenn er diesen verfluchten Tempel vergißt, wird aus ihm ein guter Herrscher.»
    «Wenn ich gehe», sagte Hiram,
«sucht sich Salomo einen anderen Oberbaumeister aus.»
    «Nein»,
meinte Elihap. «Der König ist davon überzeugt, daß du von Gott dazu auserkoren
bist. Wenn du es dir anders überlegst, kann er seinen Fehler eingestehen und
seinen unseligen Plan aufgeben.»
    Die
Sonnenscheibe verschwand hinter dem Horizont. Die Delphinschar zog aufs weite
Meer. Die Feuer der Schmieden erhellten Ezjon-Geber und machten daraus einen
rötlichen Riesentisch.
    «Und wenn du
irrst?» fragte Hiram. «Wenn Salomos Tempel der Schlüssel zu Israels Glück ist?»
    «Ich irre
mich nicht. Dieses Volk ist ein Mosaik aus Stämmen, die sich unter dem Schutz
eines Gottes, den sie für einzigartig halten, unaufhörlich bekriegen müssen.
Salomo ist zu groß für dieses Land. Er denkt und handelt wie ein Pharao. Aber
Israel ist nicht Ägypten. Daß der König einen gewissen Frieden wahrt, ist gut.
Daß er versucht, einen Tempel und ein Reich zu schaffen, ist der sichere
Untergang und das Ende der Hebräer. Ein Unglück, für das vor allem du
verantwortlich bist, Meister Hiram. Wenn deine Arbeit hier beendet ist, wartet
Salomo in Jerusalem auf dich. Wärst du doch nie gekommen!»
    Elihap entfernte sich, eine
schattenhafte Gestalt in der hereinbrechenden Dunkelheit.
    Auserkoren
von Gott, ausersehen… Wer wäre da nicht seiner Eitelkeit erlegen? Doch es war
nichts als das Geplapper vertrauensseliger Kinder. Aber Hiram liebte
Herausforderungen. Ganz Ägypten war eine riesige Herausforderung des
Unsichtbaren. Salomo war weder sein Bruder noch sein Freund. Dennoch
interessierte sich Hiram allmählich für dieses Spiel, das er mit dem Schicksal
spielte. Einem Menschen vom Format eines Pharaos zu dienen, auch wenn es auf
fremdem Boden war, bürdete einem das nicht Pflichten auf, die dem des Lichtes
ähnelten, wenn es die Wolken zerriß?
     
     
    Hiram verließ Ezjon-Geber
mitten im Herbst kurz nach dem Beginn des religiösen Jahres, das man zu der
Herbst-Tagundnachtgleiche während des Erntefestes feierte. Mittlerweile waren
die Tage nicht mehr glutheiß, sondern goldbraun, und rochen nach Heimweh. Die
Natur bereitete sich auf die Ruhepause vor. Das sonst so bewegte Meer zeigte
sich in Blau und Grün und schien ferne Weisen zu singen, die bis zum Anbeginn
der Welt zurückreichten. Der Baumeister betrachtete es einen ganzen Morgen
lang, so als würde er es niemals wiedersehen.
    Das Bündel
auf dem Rücken, den Wanderstock in der Hand, mit einem Arbeiterschurz
bekleidet, so verließ er die Stadt, ohne irgend jemandem Lebewohl zu sagen.
Anup trabte neben ihm. Ezjon-Geber war eine blühende Stadt geworden, in der es
Händler und Kaufleute, die Waren verschifften, verstanden hatten, die Macht zu
übernehmen. Zahlreiche junge Männer hatten sich an

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