Der Tempel zu Jerusalem
Chamsin
hat die Heuschrecken verjagt, die Äcker sind gerettet. Es gibt Nahrung für uns
alle.»
«Falls wir
noch genug Kraft zum Arbeiten haben. Wer diesen verheerenden Wind losgelassen
hat, der wußte, was er tat.»
«Nur Gott
herrscht über die Elemente», ermahnte ihn Salomo. «Zweifelst du daran?»
Hiram ging
nicht auf die Ironie des Königs ein, obwohl er überzeugt war, daß dieser mit
Zauberkräften eingegriffen hatte.
«Setze dich
der Gefahr nicht weiter aus», riet der Baumeister.
«Ich bin
gekommen, weil ich heilen will. Wer, wenn nicht ich, kennt die Dämonen, die die
Schläfen quälen, den Schädel zerreißen, die Augen entzünden, in den Ohren
bohren, an den Eingeweiden nagen, die Herzen auslöschen, das Kreuz oder die
Beine brechen? Könige lernen, Krämpfe, Abszesse, Schmerzen, Fieber und Lepra zu
bekämpfen. Man bringe alle Kranken zu mir.»
Man wartete
die Bestätigung durch den Oberbaumeister gar nicht erst ab, sondern gehorchte
Salomos ausdrücklichem Befehl. Im Nu hatte sich eine Schlange von Patienten
gebildet. Die Hinfälligsten wurden von ihren Gefährten herbeigetragen. Salomo
legte sein Siegel auf jeden Hals.
Während er
sie heilte, drangen aus der Erde Wehklagen und Gejammer, denn die vom König
verjagten Dämonen schienen niedergedrückt von den Leiden, die sie verursacht
hatten, im Erdinneren zu verschwinden. Salomo arbeitete, bis die Sterne am
Himmel erschienen.
In den Zelten schlief alles
friedlich.
Nur der
Baumeister des Tempels stand noch vor dem Herrscher. Wie ein ägyptischer Pharao
hatte sich Salomo als fähig erwiesen, Gebrechen zu lindern und die Kunst des
Wunderheilens auszuüben.
«Ein schöner Sieg, Majestät,
aber ein gefährliches Unterfangen.»
«Durchaus nicht, Meister
Hiram. Warum sollte ich die von meinen Vätern ererbte Gabe nicht nutzen? Wem
ich mein Siegel aufgelegt habe, der wird während des Baus von Jahwes Heiligtum
weder kränkeln noch sterben. Die Gefahren sind abgewendet. Arbeite in Frieden.»
«Du hast
meine Autorität untergraben. Es war meine Aufgabe, mich um diese Männer zu
kümmern.»
«Du bist der
Erbauer, nicht der Heiler. Es wäre eitel zu glauben, daß du das Werk bis zum
Ende allein durchführen kannst. Dein uneingeschränktes Reich ist die Technik
und die Kunst des Bauzeichnens. Du vergißt schon wieder den Menschen. Keiner
ist fähig, es dir gleichzutun oder dir zumindest zu helfen. Dein Feuer brennt
zu heiß. Man haßt dich, auch wenn man dich bewundert. Das ist dein Los, und du
willst es auch gar nicht anders haben.»
«Diese Macht
haben nur Könige.»
«Stimmt»,
bestätigte Salomo. «Habe ich dir nicht bewiesen, daß du meine Hilfe hast? Und
wenn du willst, kannst du weitaus mehr Gebrauch davon machen.»
Nichts wünschte sich Hiram
mehr, als eine unverzügliche Rückkehr nach Ägypten, in das Land seiner
Vorfahren. Wenn es jemanden gab, der ihm dabei helfen konnte, dann Salomo.
«Majestät,
ich verlange von dir nichts weiter als die Herrschaft über die Baustelle, für
die ich verantwortlich bin. Der Rest geht mich nichts an.»
«Du bist
nicht Gott. Krankheit und Leiden lauern dir auf. Du bist schwach geworden, der
Tempel ist gefährdet. Warum läßt du dir nicht mein Siegel auflegen, damit du
gegen die bösen Mächte gefeit bist?»
Die Sterne
funkelten. Die Insekten waren in ferne Gegenden abgezogen, um dort Unheil
anzurichten, der Himmel war wieder rein und klar. In der nächtlichen Stille
sang ein jetzt wieder laues Lüftchen.
«Folge du
deinem Weg, Majestät, ich folge meinem.»
«Vereinen die
sich nicht?»
«Sie kreuzen
sich während der Jahre, in denen es die Baustelle gibt. Danach trennen sie sich
wieder.»
«In Ägypten
schenkt der Pharao seinen Angehörigen Leben, Gesundheit und Kraft. Das gilt
auch für mich. Warum lehnst du dieses Geschenk ab?»
«Weil ich
nicht dein Untertan bin, sondern ein Nomade, der Wort halten wird. Wenn das
Gebäude erbaut ist, bin ich frei und kann gehen. Ich möchte dir nichts
schulden. Regiere du dein Land, und ich herrsche auf meiner Baustelle.»
Salomo
beharrte nicht weiter. Er hatte den Baumeister zwar geschwächt, aber ihn nicht
unterwerfen können.
«Majestät, vergiß
den Menschen nicht. Die Lehrlinge, die Gesellen und die Werkmeister unterstehen
nur einer einzigen Autorität, nämlich meiner. Ohne diese Hierarchie wird der
Tempel nie das Licht des Tages erblicken.»
Kapitel 34
Um den
Karren mit den behauenen Steinen bessere
Durchfahrt zu gewährleisten,
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