Der Tempel zu Jerusalem
worden.
Hiram, der
die Säulensockel überprüfte, die Gesellen polierten, bemerkte die Gefahr. In
den Jahren, in denen die Löwengöttin nicht richtig angebetet worden war, hatten
Heuschreckenschwärme Ägypten mit Hungersnöten bedroht. Nur der Zauber eines
Pharaos konnte die Eindringlinge abwehren. Wie viele Wochen würde Israel Opfer
dieser unerbittlichen Angreifer sein? Wieviel Zeit würde die Baustelle ruhen,
die Frondienste nicht geleistet werden? Menschen hatten es nicht geschafft,
Meister Hirams Arbeit zu durchkreuzen, den Insekten jedoch konnte es gelingen.
Königin
Nagsara, die in ihrem Garten ruhte, flüchtete sich in ihre Gemächer. Auf
Festmählern im Palast von Tanis hatten Geschichtenerzähler vom Jahr der
Heuschrecken berichtet. Es gab keine andere Rettung, als sich ins Haus zu
flüchten und alle Öffnungen fest zu schließen.
Salomo, der
oben in Davids vom Felsen überragten Palast war, rollte den Papyrus zusammen,
auf den er eine Hymne an die Weisheit schrieb. Die gräßliche Insektenwolke war
entweder eine Strafe Gottes oder ein Fluch des Teufels. Verurteilte Jahwe den
Wunsch des Königs? Wollten ihn die Mächte der Finsternis vernichten? Salomo
kannte nur ein Mittel, das herauszufinden, er mußte Nagsara fragen.
Die Zeit lief
ihm davon, denn das Volk würde rasch kopflos werden und Salomo die Schuld an
dieser Katastrophe geben. Der König würde sich vor Gott und seinen Untertanen
verantworten müssen. Der Hohepriester würde ihm vorwerfen, daß er den Zorn des
Allerhöchsten erregt hätte, weil er seine Autorität, die seine Vorgänger
geachtet hatten, mit einem gottlosen Gebäude befleckt hätte.
Nagsara
verneigte sich vor ihrem Gebieter. Sein Wunsch machte sie über alle Maßen
glücklich. Die schwarzen Augen der Ägypterin funkelten jugendlich-feurig.
Salomo zeigte sich zärtlich, verbarg jedoch nicht, daß er auch ihre Gaben als
Zauberin brauchte.
Nagsara zog
sich nicht aus. Sie befragte erneut die Flamme und überließ ihr mehrere Monate
ihres Lebens. Aber gab es etwas Schöneres, als Salomo zufriedenzustellen?
Die Antwort
des Unsichtbaren war klar. Salomo hielt Nagsara lange Zeit in den Armen. Seine
Wärme gab dem erschöpften Leib seiner Gemahlin wieder Leben. Als sie
eingeschlafen war, benutzte der König seinen Rubinring. Der Zauberstein
erlaubte ihm, die Stimme der Elemente zu hören. Ein Element war noch mächtig
genug, um gegen die Insekten zu kämpfen.
Die Felder von Judäa und
Samaria lagen verlassen, auf den Dorfplätzen zeigte sich keine Menschenseele.
Selbst in Jerusalem fielen Trauben von Wanderheuschrecken ein und fraßen die
wenigen Gärten kahl. Salomo betete seit dem Vorabend. Erreichten seine Gebete
den Himmel, durchdrangen sie den Schild aus Insekten, der die Sonne
verdunkelte?
Als Wind
aufkam und auf der Baustelle Staubwolken aufwirbelte, hoffte und bangte Hiram
zugleich. Hatte der König von Israel ein Heilmittel gefunden, das den Teufel
mit Beelzebub austrieb? War der heftige, heiße Wind wirklich der gefürchtete
Chamsin?
Die Hitze war
kaum noch zu ertragen, sie brannte beim Einatmen in den Lungen. Doch der
Chamsin fegte die Heuschreckenschwärme nach Norden hinweg. Die Nacht, die ihrem
Auszug folgte, war eiskalt. Viele Arbeiter wurden krank. Erschöpfung warf die
nieder, die nicht unter Lungen- oder Mandelentzündung litten. Hiram gab ihnen
Honig zu essen und verteilte Decken. Mit der Morgendämmerung kamen die
Hundstage und stellten die Menschen auf eine harte Probe. Ein Lehrling, dem der
Husten die Brust zerriß, schien an der Schwelle des Todes zu stehen. Auch der
Oberbaumeister verspürte trotz seines robusten Körpers die ersten
Erschöpfungserscheinungen. Er zwang sich, von Zelt zu Zelt zu gehen und die
Arbeiter zu ermutigen. Furcht schlich sich in seine Gedanken ein. Kam das
Gespenst einer Epidemie etwa aus der Gehenna?
Als sich
Hiram mit einem Werkmeister unterhielt, weil er das Arbeitsprogramm der nächsten
Wochen verringern wollte, drangen Freudenschreie an sein Ohr. Welches Ereignis,
das so gar nicht zu diesen schlimmen Zeiten paßte, hatte sie ausgelöst? Hiram
ging zum Lagereingang.
Gesund oder
krank, die Arbeiter und Handlanger jubelten Salomo zu. Der Herrscher in seiner
langen Purpurrobe mit den goldenen Fransen erweckte Ehrfurcht.
Der
Oberbaumeister schuf sich Platz zwischen den Bewunderern des Königs und stand
vor ihm.
«Der Wind hat
Krankheit mitgebracht, Majestät. Es tut nicht gut, die Baustelle zu betreten.»
«Der
Weitere Kostenlose Bücher