Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Tempel zu Jerusalem

Der Tempel zu Jerusalem

Titel: Der Tempel zu Jerusalem Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian Jacq
Vom Netzwerk:
seinen Augen hingerichtet worden war.
    Der
Oberbaumeister trug ein weißes Gewand und auf der Brust ein goldenes Pektoral.
Der Stab in seiner Rechten symbolisierte seine Amtsgewalt über die
Bruderschaft.
    Der
Oberhofmeister des Palastes mit dem Schlüssel auf der Schulter führte den
Angeklagten vor das Tribunal.
    Als Hiram
erschien, stieg aus jeder Brust ein erstaunter Seufzer. Zadoks Miene veränderte
sich. Bleich und mit zusammengepreßten Lippen erkannte er, daß dem Baumeister
eine besondere Gnade zuteil geworden war. Und wie er sahen alle Anwesenden, wie
der Urbaumeister, den der Prophet Hesekiel angekündigt hatte, in Hiram Gestalt
annahm.
    Salomo
strahlte, er wußte, daß ihn seine Weisheit nicht verlassen hatte.
    «Seht euch
diesen Baumeister gut an», befahl er. «Den darf keiner richten, denn er trägt
den Stab, mit dem der vom Himmel gekommene Erbauer den künftigen Tempel
ausgemessen hat. Meister Hiram läßt das Wort Jahwes Stein werden. Er bewahrt
das Werkzeug seiner Schöpfung auf.»
    Der
Baumeister, der die ganze Schwelle ausfüllte, schwenkte den Prophetenstab. Und
alle verneigten sich mit Ausnahme von Salomo.

 
    Kapitel 36
     
     
     
    Salomo las Elihaps mit
Zahlenkolonnen gespickte Berichte noch einmal. Die Berechnungen trogen nicht.
Die Schatullen leerten sich schneller als vorhergesehen. In einem knappen Jahr
würde die königliche Schatzkammer leer sein und der Tempel noch weit entfernt
von der Fertigstellung. Falls sich das im Volk herumsprach, ob es dann zu
Aufständen kam?
    Man mußte
alles, was das Land teilen und zu den alten Ordnungen zurückkehren wollte, im
Keim ersticken, und die Gelegenheit, die sich dazu bot, war ein Gottesgeschenk.
Daher begab sich Salomo in die Kapelle, wo der Hohepriester gerade die
Morgenandacht beendet hatte. Zadok war überrascht. Noch nie hatte der König ihm
einen solchen Besuch abgestattet. Begriff er endlich, daß man nicht herrschen
konnte, ohne zu teilen, und daß er der Geistlichkeit Gehorsam schuldete?
    Der Herrscher
setzte sich auf eine Steinbank. Zadok nahm zu seiner Rechten Platz.
    «Kennst du dich mit den
Pflichten eines Hohenpriesters aus?»
    «Aber gewiß
doch, Majestät.»
    «Du hast
keine Witwe geheiratet?»
    «Selbstverständlich
nicht!»
    «Und auch
keine Geschiedene?»
    «Majestät…»
    «Keine
ehemalige Hure?»
    «Majestät, du
weißt, daß ich Witwer bin und mir keine neue Frau genommen habe!»
    «Um so
besser, Zadok. Du hast deine Bartspitzen nicht gestutzt?»
    «Gott
bewahre! Das wäre ein unverzeihlicher Fehler.»
    «Und auch vor
dem Gottesdienst keinen Wein getrunken?»
    Jetzt wurde
Zadok besorgt.
    «Bist du
gekommen, um mit mir über die rituellen Vorschriften zu reden, die mein Amt
betreffen?»
    «Über eine insbesondere. Weiß
du nicht, daß es dir verboten ist, ein totes Tier zu essen, das nicht vom
Opferpriester geschächtet worden ist?»
    «Solches
Unwissen wäre ungemein sündhaft.»
    «Und doch
hast du gestern ein unreines Lamm gegessen.»
    «Majestät,
das kann nicht sein!»
    «Ich habe
einen Beweis und einen Zeugen», bestätigte Salomo. «Du bist unvorsichtig
gewesen.»
    Der König
benannte Kaleb, den Hinkefuß, nicht, der dem Hohenpriester eine Falle gestellt
und dafür gesorgt hatte, daß es Salomo erfuhr.
    Zadok senkte
den Kopf. Die Anschuldigung des Herrschers wog schwer. Der Hohepriester lief
Gefahr, auf die schmählichste Weise abgesetzt zu werden, was den Ruf seines
Geschlechts für immer beflecken würde.
    «Ich will Nachsicht walten
lassen», sagte Salomo. «Unter der Voraussetzung, daß du dich auf diese Kapelle
beschränkst und kein einziges Wort mehr gegen Meister Hiram sagst. Höre auf,
dich dem Bau des Tempels zu widersetzen.»
     
     
    Auf dem Felsen hatten Meister und Gesellen die Arbeit
wiederaufgenommen, sie gingen nach dem Bauplan vor, der auf dem Fußboden der
neuen Werkstatt ausgebreitet lag, in der er aufbewahrt wurde. Die Meister
entschlüsselten Meister Hirams Notierungen, und er gab jeden Morgen die
Proportionen vor, nach denen aus dem Plan Masse, aus der Zeichnung Wirklichkeit
wurde.
    Als der
Baumeister endgültig den unterirdischen Raum verließ und sich auf der Baustelle
in der Nähe des Bauplans niederließ, befahl Salomo ihn in den Palast.
    Junge
Dienerinnen mit verheißungsvollen Körpern reichten Becher mit neuem Wein und
Datteln, die auf der Zunge zergingen.
    Der
Baumeister weigerte sich, Platz zu nehmen.
    «Majestät,
ich habe keine Zeit für Empfänge, ich bin zu weit im

Weitere Kostenlose Bücher