Der Tempel zu Jerusalem
teilten.
Jetzt war der
große Tempel noch nötiger denn je. Durch ihn würden der Ruf Salomos und seines
Sohnes durch die Jahrhunderte leuchten.
Hiram
arbeitete noch spät mit den Meistern. Das Gebäude nahm in den Köpfen Form an.
Seine Proportionen lebten in den Händen der Handwerker, und allmählich wurden
sie überschwenglich. Der Oberbaumeister beruhigte sie. Er wollte keine
voreilige Arbeit, die zu Baumängeln führte, sondern forderte Bedachtsamkeit und
Umsicht. Er beharrte auf den kleinsten Einzelheiten und berichtigte Pläne, die
bereits vollkommen erschienen.
Als den
Meistern erschöpft die Augen zufielen, verabschiedete er sie. Während Kaleb die
Werkstatt saubermachte, setzte sich der Baumeister auf den äußersten Rand des
Felsens. Sein Hund kauerte sich neben ihn, und er versenkte sich in die
nächtliche Stille.
Warum hatte er
Salomo geholfen? Wenn die Finanzierung des Tempels ins Stocken geraten wäre,
hätte Hiram Israel verlassen und nach Ägypten zurückkehren können. Doch er
hatte sich in seine Arbeit verliebt. Das Heiligtum würde nicht mehr Jahwes,
sondern sein eigenes sein. Er würde ihm das Zeichen seines Genies und das des
uralten Ägypten aufdrücken, er würde die ewige Weisheit in neue Form gießen.
Hiram fand
Gefallen an dem Spiel. Er diente weder Mensch noch König, sondern einem Wesen
aus Stein, dem er sein Wissen und sein Leben opferte.
Die Bruderschaft war gehorsam
und tüchtig. Er hatte sie im Laufe der Jahre geduldig ausgebildet, und nun
konnte sie es mit dem mächtigen Staatsapparat, nämlich dem Haus des Lebens,
aufnehmen, wenn es darum ging, eine Wohnstatt für Götter zu erbauen. Beinahe
unbewußt hatte sich Hiram wie ein Baumeister in Tanis oder Karnak verhalten,
der vom Pharao beauftragt worden war, ein großartiges Bauprogramm
durchzuführen.
Der Pharao… warum ähnelte
Salomo ihm so?
Kapitel 37
Im nördlichen Viertel der Altstadt gab es einen Schlupfwinkel für
Durchreisende, kleine Räuber und Schieber. Die hatten ihre eigenen Gesetze,
hüteten sich jedoch, Salomos zu brechen. Daher machte die königliche Polizei
einen Bogen um die schmutzigen, ekelhaft stinkenden Gäßchen, wo beim
Morgengrauen zuweilen ein Kadaver herumlag, den ein taktvoller Ordnungsdienst
rasch verschwinden ließ.
Salomo
weigerte sich, diese elende Enklave abreißen zu lassen. Ihm war es lieber, wenn
sich die bösen Kräfte an einer Stelle sammelten, statt sich über ganz Jerusalem
zu verteilen.
Elihap, sein
Schreiber, war sich da nicht so sicher. Den Kopf mit einem braunen Tuch
bedeckt, in eine staubige Tunika gekleidet, glich er der Kundschaft dieses übel
beleumdeten Ortes. Dank Jerobeams genauer Wegbeschreibung fand er das
baufällige Haus mühelos, wo der Fronvogt auf ihn wartete. Er stieß eine
wurmstichige Tür auf und stieg eine abgetretene und bemooste Treppe hinunter.
Sie endete in einem matt erleuchteten Keller, in dem ihn der rote Riese
begrüßte.
«Willkommen,
Elihap. Du hast gut daran getan, mir dein Vertrauen zu schenken.»
«Ich handele auf Befehl
dessen, der Israel retten will.»
Jerobeam
ergriff eine Fackel, deren Rauch die feuchte Decke der Höhle schwärzte, und
leuchtete einen Winkel aus, in dem sich ein magerer Mensch mit nicht gestutztem
Bart duckte.
«Hoherpriester…
bist du das?»
«Du bist kein
Freund, Elihap», sagte Zadok. «Aber obwohl du in Ägypten geboren worden bist,
kannst du dennoch einer der Unseren werden. Ich weiß, daß du König Salomos Beschlüsse
nicht mehr billigst. Wie wir mußt du handeln und über das Wohlergehen des
Volkes wachen, das der König gefährdet.»
Elihap hatte
Angst. Er fand sich gegen seinen Willen in eine Verschwörung hineingezogen und
war jetzt zur Teilnahme gezwungen, denn lebend würde Jerobeam ihn nicht aus
diesem Keller herauslassen, falls er sich gegen die Pläne des Hohenpriesters
stellte. Der Schreiber hatte Gewissensbisse, weil er einen König verriet, der
ihm in der Not geholfen und ihm ein beneidetes Amt verliehen hatte. Trotz der
damit verbundenen Gefahren hätte er ihn verteidigen, hätte er den
Aufständischen deutlich machen müssen, daß sie irrten, hätte sie davon
überzeugen müssen, Salomo treu zu bleiben. Doch Elihap war nicht zum Helden
berufen. Er hatte nur ein Leben. Unseligerweise wich sein mächtiger Beschützer
vor Mißgeschick und zunehmender Gegnerschaft gegen seine Politik zurück. Wer
hätte da nicht die Pflicht, für die Zukunft zu sorgen, für die eigene? Und
hatte Zadok
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