Der Tempel zu Jerusalem
Hebemethode der Erbauer der prachtvollen, ägyptischen Pyramiden preis.
Kapitel 38
Hiram
rollte den Papyrus mit dem Bauplan des
Tempels zusammen. Er klemmte ihn unter den Arm und ging zum äußersten Rand des
Felsens, wo sich das Allerheiligste erheben würde. Alsdann steckte er die
zusammengehefteten Blätter in Brand.
Der
Baumeister brauchte den Plan nicht mehr. In den Flammen verschwanden die
Notierungen der Proportionen und die Maße, die es jetzt nur noch in seinem Kopf
gab. Das Bauwerk war Meister Hiram in Fleisch und Blut übergegangen. Er würde
keinen Fehler machen, wenn er die Werkmeister und Gesellen bei der Ausführung
des Aufrisses anleitete. Von jetzt an sprach der Tempel durch ihn. Das
Verlangen, ihn zu erschaffen, brannte wie eine unersättliche Leidenschaft. Wenn
Hiram leben wollte, mußte er bauen.
Im goldenen
Licht, das zum nächtlichen Himmel hochloderte, bemerkte der Baumeister andere
Flammen. In der Ferne hatte noch jemand ein Feuer entzündet, eine ungewöhnliche
Antwort auf das Opfer des Oberbaumeisters. Neugierig verließ Hiram die
Baustelle und ging die Palastmauer entlang. Oberhalb der Stadt Davids, der
Quelle von Gihon und des Kidron-Tals machte er die Stelle aus, wo Flammen und
schwarze, ekelhaft riechende Wolken hochstiegen.
Hiram kam an der von Salomos
Soldaten errichteten Sperre vorbei und ging bis zum Waldsaum am Rand dieses
tiefen und abgeschiedenen Tals. Dort hockten Bettler, die sich anscheinend
nicht an dem Geruch brennenden Fleisches störten.
«Geh nicht
weiter, Gebieter», riet ihm einer. «Das ist die Gehenna, die Müllhalde von
Jerusalem. Selbst die Ärmsten der Armen wie wir wagen es nicht, weiter
vorzudringen.»
«Früher», so
sagte ein anderer, «hat man hier Unschuldige getötet, um Molochs Zorn zu
besänftigen. Heute schüttet man Abfall und Tierkadaver hinein. Aber die alten
Dämonen treiben sich hier noch immer herum…»
Die Bettler
scherzten nicht, und Hiram nahm ihre Warnung ernst. Doch eine unwiderstehliche
Macht zwang ihn, die Gehenna zu erforschen. Trotz des Achs und Wehs der armen
Teufel ging er weiter.
Das hier war
wirklich die Hölle. Dreckige Abfälle und Verschimmeltes beleidigten Augen und
Nase. Der Baumeister stieg über Knochenberge. Das Feuer loderte auf dem Boden
dieses Tals der Verzweiflung, dessen Schrecken menschliches Leben nicht zuließ.
Dennoch lachte unten am Feuer ein zerlumpter Mann mit gerötetem Gesicht das
Lachen eines Irren.
«Unrein!»
schrie er Hiram entgegen. «Du bist unrein, ich allein bin rein!»
Der
Wahnsinnige hatte auf den Händen Tätowierungen, die Moloch und seine Dämonen
mit blutigen Lefzen darstellten.
«Geh nicht
weiter! Dazu hast du kein Recht!»
Für einen
Augenblick fiel das Licht auf eine massige Form, die mit Unrat bedeckt war. Der
Baumeister trat näher.
«Bleib
stehen! Nur ein reines Wesen darf diesen Stein berühren!»
Mitten in der
Gehenna thronte ein riesiger Block aus rosa Granit. Hiram dachte an die Lehren
seiner Meister. Handelte es sich dabei etwa um den vom Himmel gefallenen Stein,
den Schatz, den der Erschaffer der Menschen den Handwerkern geschenkt hatte,
damit sie darauf Gottes Heiligtum erbauten?
Der Besessene
stand auf, er hatte sich jäh beruhigt.
«Faß diesen
Block nicht an, Oberbaumeister! Den wird keine Gewalt aufheben, weder die des
Himmels noch die der Hölle.»
Hiram achtete
nicht auf die Beschwörungen. Als seine Hand den vollendet polierten Stein
berührte, da wußte er, daß dieses Meisterwerk aus Ägypten stammte. Nur einem
Schüler aus dem Haus des Lebens konnte es gelingen, diese schwarz-rosige
Oberfläche so zu glätten.
«Vergiß ihn»,
drängte der Besessene. «Geh, geh fort! Wenn du nicht gehst, wird dein Werk
zerstört!»
Der
Wahnsinnige stieß einen Schrei aus, der zum Himmel stieg. Mit einem Satz warf
er sich in die Flammen. Seine Lumpen fingen Feuer, seine Haare verwandelten
sich in eine Fackel. Er starb, ohne zu lachen.
Hiram war
zwar entsetzt, verspürte aber dennoch eine lebhafte Freude.
Er hatte den
Eckstein des Tempels gefunden.
Nachdem sich eine Hundertschaft
Fronarbeiter einen Weg durch den Unrat der Gehenna gebahnt und den Block vom
Schmutz befreit hatte, versuchten Hiram und seine Werkmeister vergebens, ihn
von seinem Platz zu schaffen. Zunächst mußte man tiefe Gräben ausheben und
haltbare Flaschenzüge bauen.
Salomo kam begleitet von
General Banajas und seinem Schreiber Elihap, um das Wunder zu bestaunen. Auch
er berührte
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