Der Tempel
Langbogen, stieg in das Labyrinth hinab und verschwand in der Dunkelheit.
Renco versuchte nicht, ihn daran zu hindern. Er blickte ihm lediglich nach und sein Gesicht zeigte tiefe Traurigkeit.
Wir hatten unsere Vorbereitungen für den Kampf gegen die Rapas getroffen. Nur eines blieb noch zu tun.
Ich nahm die kleine Blase mit dem Affenurin, die der zahnlose alte Mann mir früher am Abend geschenkt hatte, und öffnete den Stopfen.
Sogleich drang mir ein äußerst übler Gestank in die Nase. Ich zuckte zusammen und verzweifelte geradezu bei der Aussicht, mir diese furchtbar riechende Flüssigkeit über den Körper zu schütten.
Aber ich tat es. Oh, was für ein entsetzlicher Gestank! Kein Wunder, dass die Rapas ihn verabscheuten.
Renco kicherte angesichts meines Unbehagens. Daraufhin nahm er mir die kleine Blase ab und besprühte sich selbst mit der stinkenden gelben Flüssigkeit. Die Blase wurde an die übrigen Krieger weitergereicht, die sich mit in die Berge hinaufwagten, und sie tränkten sich gleichfalls mit dem faulig riechenden Urin.
Nachdem wir so gut wie bereit waren, kehrte Lena mit einer weitaus größeren Tierblase zurück, vermutlich der Blase eines Lamas, die ebenfalls mit Flüssigkeit gefüllt war.
»Das Regenwasser, das du haben wolltest«, sagte sie zu Renco.
»Gut«, meinte Renco und nahm sie ihr ab. »Dann können wir gehen.«
***
Renco goss etwas Regenwasser über das echte Götzenbild.
Sogleich erwachte es summend zum Leben und sang sein melodiöses Lied.
Das Innere der Zitadelle war leer. Lena hatte die Frauen, Kinder und alten Leute des Ortes bereits in das Labyrinth hinabgeschickt, damit sie ihren Gang durch die Tunnel antraten, der sie schließlich zu dem Wasserfall am Rand des Tafellands führen würde. Lena selbst war in der Zitadelle zurückgeblieben und hielt sich bereit, den Türstein hinter uns zu schließen.
» Also gut«, sagte Renco und nickte den beiden Inkakriegern zu. »Jetzt.«
Sogleich wälzten sie den großen Türstein beiseite. Draußen zeigte sich die Nacht.
Direkt vor der Tür standen die Rapas.
Sie erwarteten uns!
In einem weiten Halbkreis standen sie unmittelbar vor dem steinernen Türrahmen der Zitadelle.
Ich zählte ihrer zwölf – zwölf gewaltige schwarze Kreaturen mit dämonenhaften gelben Augen, hohen, spitzen Ohren und mächtigen Schultermuskeln.
Renco hielt das singende Götzenbild vor sich und die Rapas starrten es wie versteinert an.
Auf einmal erlosch der Gesang und ebenso plötzlich wurden die Rapas aus ihrer Trance gerissen und knurrten leise.
Rasch tränkte Renco das Götzenbild wieder mit Wasser aus der Blase. Das Idol setzte sein Lied fort und die Rapas fielen erneut in eine Art bewusstseinslosen Zustands.
Mein Herz schlug wieder.
Dann setzte Renco, das Götzenbild in den Händen und die sieben Inkakrieger und mich selbst im Schlepptau, den Fuß über die Schwelle und trat hinaus in die kalte Nachtluft.
Der Regen hatte aufgehört – für den Augenblick zumindest –, die Wolken hatten sich etwas geteilt und wir sahen den sternenübersäten Nachthimmel sowie einen strahlenden Vollmond.
Die Fackeln hoch über unsere Köpfe haltend, durchquerten wir den Ort und erreichten einen schmalen Pfad, der am Flussufer verlief.
Die Rapas folgten uns mit langsamen, zielgerichteten Bewegungen. Sie hielten den Körper tief am Boden und den Blick auf das singende Götzenbild in Rencos Händen gerichtet.
Meine Furcht war außergewöhnlich. Nein, man muss sagen, dass ich noch nie im Leben solches Entsetzen verspürt hatte.
Von einem Rudel so gewaltiger, so gefährlicher Kreaturen umgeben zu sein, denen es vollkommen an Mitleid oder Erbarmen mangelte und die ohne das geringste Zögern töteten!
Sie waren so riesig! In dem flackernden, orangefarbenen Schein unserer Fackeln kräuselten sich Schultern und Flanken. Sie gaben ein lautes Keuchen von sich – eine Art Stöhnen, das tief aus der Brust kam, nicht unähnlich dem eines Pferdes.
Während wir den Pfad am Flussufer entlangschritten, schaute ich mich um. Lena stand am Rand des Ortes, eine Fackel in der Hand, und sah uns nach.
Nach wenigen Augenblicken verschwand sie jedoch aus meinem Blickfeld. Sie hatte sich wohl entschlossen, in die Zitadelle zurückzukehren und dort ihre Pflicht zu erfüllen. Wir setzten unseren Marsch zu dem geheimnisvollen Tempel fort.
Wie schritten den Pfad entlang. Neun Männer – Renco, ich und die sieben Inkakrieger –, umgeben von dem Rudel Rapas.
Bald
Weitere Kostenlose Bücher