Der Tempel
wertlose Kopie erhält?«
Er lächelte mich an. »Natürlich würde ich lieber am Leben bleiben, aber ich fürchte, hier steht mehr auf dem Spiel als bloß mein Leben.«
***
Die Zitadelle wurde zu einem wimmelnden Ameisenhaufen, als die Menschen von Vilcafor sich auf das Kommende vorbereiteten.
Renco selbst machte sich auf, um die Krieger des Ortes vollständiger zu unterweisen. Währenddessen ergriff ich die Gelegenheit, setzte mich eine Weile zu Bassario und sah ihm bei der Herstellung seiner Idol-Kopie zu. Um die Wahrheit zu sagen – Gott möge mir verzeihen! –, hatte ich ein darüber hinausgehendes Motiv für ein Gespräch mit ihm.
»Bassario«, flüsterte ich zögernd, »hat … hat Lena einen Gatten?«
Bassario schoss mir ein koboldhaftes Grinsen zu. »Nun, Mönch, du alter Schlingel …«, sagte er mit volltönender Stimme.
Ich bat ihn unterdrückt, nicht so laut zu sprechen. Bassario amüsierte sich köstlich, wie man es von einem solchen Schurken erwarten sollte.
» Sie hatte einmal einen Gatten«, sagte er schließlich. »Aber ihre Ehe endete vor vielen Monden, vor der Ankunft der Goldesser. Der Name von Lenas Mann war Huarca. Er war ein vielversprechender, junger Krieger und ihre Ehe wurde ebenfalls als äußerst vielversprechend erachtet, insoweit eine arrangierte Ehe das sein kann. Doch da wusste man noch nicht, dass Huarca zu Wutanfällen neigte. Nach der Geburt ihres Sohnes begann Huarca, Lena heftig zu schlagen. Es hieß, dass Lena diese Schläge erduldete, um Mani vor der Wut seines Vaters zu schützen. Offensichtlich hatte sie Erfolg. Huarca hat den Knaben nicht einmal geschlagen.«
» Warum hat sie ihn nicht verlassen?«, wollte ich wissen. »Schließlich ist sie eine Prinzessin eures Volkes …«
» Huarca hat gedroht, den Knaben zu töten, wenn Lena irgendjemandem von den Schlägen erzählte.«
Lieber Gott , dachte ich.
»Was ist dann geschehen?«
»Das alles ist zufällig herausgekommen«, erwiderte Bassario. »Eines Tages hat Renco Lena unerwartet einen Besuch abgestattet – und sie in einer Ecke ihres Hauses vorgefunden, ihren Sohn in den Armen wiegend. Sie hatte Tränen in den Augen und ihr Gesicht war blutig und zerschrammt.
Huarca wurde sogleich gefangen genommen und zum Tode verurteilt. Ich glaube, schließlich ist er in eine Grube mit zwei hungrigen Dschungelkatzen geworfen worden. Sie haben ihm die Gliedmaßen einzeln herausgerissen.« Bassario schüttelte den Kopf. »Mönch, der Mann, der sein Weib schlägt, ist die niederste Form eines Feiglings – die niederste. Meiner Ansicht nach hat Huarca ein ihm gebührendes Ende gefunden.«
Ich überließ Bassario seiner Arbeit und zog mich in einen Winkel der Zitadelle zurück, wo ich mich auf die kommende Mission vorbereiten wollte.
Nach kurzer Zeit trat Renco zu mir, um das Gleiche zu tun. Er trug noch immer die spanische Kleidung, die er vor vielen Wochen in der Gefängnishulk gestohlen hatte – die braune Lederweste, die weißen Pantalons, die kniehohen Lederstiefel. Sie war, hatte er mir einmal erklärt, während unseres mühseligen Marschs durch den Regenwald für ihn von immensem Wert gewesen.
Er schob sich einen Köcher über die Schulter und legte sich den Schwertgurt um die Taille.
» Renco?«
»Ja?«
»Warum war Bassario im Gefängnis?«
»Ach, Bassario …«, seufzte er traurig.
Ich wartete auf seine Antwort.
» Ob du es glaubst oder nicht, Bassario war einstmals ein Prinz«, sagte Renco schließlich. »Ein geachteter, junger Prinz. Sein Vater war nichts Geringeres als der königliche Steinmetz, ein hervorragender Erbauer und Gestalter, der am meisten geehrte Baumeister im Reich. Bassario war sein Sohn und Schützling, und bald wurde er ebenfalls ein brillanter Steinmetz. Im Alter von sechzehn Jahren übertraf er seinen Vater bereits an Kenntnissen und Geschick, trotz der Tatsache, dass sein Vater der königliche Steinmetz war, der Zitadellen für den Sapa Inka errichtete!
Aber Bassario war leichtsinnig. Er war ein exzellenter Sportler – als Bogenschütze reichte ihm niemand das Wasser –, doch wie viele seinesgleichen war er dem Trunk, dem Spiel und den hübschen jungen Mädchen aus Cuscos eher raueren Stadtvierteln zugeneigt. Zu seinem Unglück entsprach sein Erfolg bei den Frauen nicht dem in den Spielhöllen. Er häufte riesige Schulden bei Männern von weniger als zweifelhaftem Ruf an. Als seine Schulden zu hoch wurden, um sie zu begleichen, beschlossen diese Wüstlinge, dass Bassario sie auf
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