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Der Tempel

Der Tempel

Titel: Der Tempel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Matthew Reilly
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verband.
    Da das Gegengewicht am anderen Ende jetzt verschwunden war, fiel Hernando. Senkrecht hinab.
    Er stürzte an mir vorüber, ein verwischter Fleck eines kreischenden Menschen. Als passende, letzte Demütigung streckte ich, als er an mir vorübersauste, die Hand aus und entriss ihm das Götzenbild.
    »Neiiiiin!« , kreischte Hernando.
    Während ich über dem Abgrund hing, an einer Hand an der Leine herabbaumelte und in der freien Hand das geheiligte Götzenbild hielt, sah ich den Ausdruck des absoluten Entsetzens auf seinem Gesicht immer kleiner und kleiner werden, bis es schließlich in dem dunklen Abgrund unter mir verschwand, und bald vernahm ich bloß noch sein Kreischen.
    Einen Augenblick später hörte es auf und genau zur gleichen Zeit vernahm ich ein fernes, ekliges Klatschen.

    ***

    Einige Zeit später traf ich mit dem Götzenbild in der Hand wieder auf der Lichtung ein.
    Die Aussicht, die mich dort begrüßte, war wie ein Blick in die Unterwelt.
    In dem flackernden Schein der über die Lichtung verstreuten Fackeln sah ich die Rapas über den toten Konquistadoren hocken und sich an frischem Menschenfleisch mästen. Ringsumher lagen spitze Silberhelme, die im Feuerschein glänzten.
    Da erblickte ich Renco und Lena sowie einige Inkakrieger drüben beim Portal. Sie hielten Schwerter und Musketen in den Händen und waren die einzigen Überlebenden des Gemetzels, und zwar zum größten Teil wegen ihres Kampfgeschicks und des Affenurins, der sie bedeckte. Offenbar suchten sie etwas. Zweifelsohne das Götzenbild.
    »Renco!«, rief ich. »Lena!«
    Ich bereute es sogleich, gerufen zu haben.
    Denn auf der Stelle blickte einer der Rapas auf dem Boden, durch meinen Ruf gestört, von seinem Festschmaus auf.
    Das gewaltige Tier erhob sich und funkelte mich an.
    Eine weitere Katze tat es ihm nach.
    Dann noch eine und noch eine.
    Das Rudel riesiger Katzen formierte sich zu einem weiten Kreis um mich. Sie hielten die Köpfe gesenkt und hatten die spitzen Ohren angelegt.
    Renco wandte sich um und erkannte wohl meine missliche Lage. Aber für Hilfe war er zu weit entfernt.
    Ich überlegte, weshalb der Affenurin an mir die Katzen nicht mehr auf Distanz hielt. Vielleicht war er bei meinem Zweikampf mit dem alten Konquistadoren im Tempel abgekratzt worden oder vielleicht war er abgerieben worden, als ich zu Boden gestürzt war, nachdem Hernando auf mich geschossen hatte.
    Wie dem auch sei, ich dachte, dies wäre es – dies wäre das Ende.
    Der Rudelführer der Rapas spannte den ganzen Körper an, bereit zum Sprung. Da jedoch …

    ***

    … traf laut klatschend der erste Wassertropfen meine Scheitelspitze, dicht gefolgt vom zweiten, dann vom dritten, vierten.
    Nun teilte sich der Himmel und der Regen stürzte herab. Es war wie eine Gabe Gottes.
    Oh, wie es regnete! Es goss in Strömen – große, fette Wassertropfen hämmerten mit entsetzlicher Gewalt auf den Felsenturm ein, klatschten mir auf den Kopf, auf das Götzenbild.
    Und in diesem Augenblick begann das Götzenbild – Gott sei gedankt! – zu singen.

    Sein Lied beruhigte die Katzen auf der Stelle.
    Sie hatten nur noch Augen für das triefende Idol in meinen Händen. Als Reaktion auf das melodische, hohe Summen hielten sie die Köpfe schief.
    Renco, Lena und die drei Krieger kamen zu mir herüber. Sie schirmten ihre Fackeln gegen den Regen ab und umgingen vorsichtig das Rudel der verzauberten Rapas.
    Mir fiel auf, dass Renco Bassarios falsches Götzenbild in der Hand hielt.
    »Vielen Dank, Alberto«, sagte er und nahm mir die singende Statue ab. »Ich denke, dass ich das jetzt übernehme.«
    Lena lächelte mir zu und ihre wunderschöne, olivfarbene Haut glitzerte in dem Gewitterregen. »So, du hast den großen Goldesser geschlagen, um unser Götzenbild zu retten«, sagte sie. »Gibt es eigentlich etwas, das du nicht zuwege bringst, tapferer, kleiner Held?«
    Mit diesen Worten beugte sie sich plötzlich vor und küsste mich sanft auf die Lippen. Mir wäre fast das Herz stehen geblieben, als ihre Lippen sich fest auf die meinen drückten. Mir wurden die Knie schwach. Beinahe wäre ich umgefallen, so entzückend war die Berührung.
    Während Lena mich so wunderbar küsste, sagte von irgendwo hinter mir eine Stimme: »He, Mönch, ich war der Ansicht, so etwas wäre solchen wie dir nicht gestattet.«
    Ich wandte mich um und sah Bassario auf der steinernen Treppe hinter mir stehen. Den Langbogen hatte er um die Schulter gelegt und das Gesicht zu einem breiten Lächeln

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