Der Tempel
spanische Soldaten eröffneten das Feuer auf ihn, aber der dahinsausende junge Prinz benutzte die freie Hand, um die Pistole aus der Hose zu ziehen und auf sie zu feuern, während er mit unglaublicher Geschwindigkeit das Seil hinabschoss.
Ich spornte meine Stute an, sodass sie noch schneller wurde, und zog sie in vollem Galopp unter Rencos Seil, gerade als er dessen Ende erreichte. Er ließ seinen Gürtel los und sprang mit einem perfekten Satz auf den Rumpf meines Pferdes.
Bassario setzte vor uns wie ein erfahrener Reiter durch das gewaltige Loch in dem hölzernen Tor. Renco und ich folgten dicht hinterdrein – zu zweit auf dem Pferd –, inmitten eines Hagelschauers aus wildem Gewehrfeuer.
Wir stürmten in die kalte Nachtluft hinaus und ritten wie der Teufel über die gewaltigen Steinplatten, die eine Brücke über den nördlichen Graben bildeten. Das Erste, was ich dabei vernahm, waren die Schreie der Inkakrieger vor uns, die vor Freude völlig außer sich waren.
***
» Na, wie kommen Sie voran?«, fragte plötzlich eine Stimme.
Race schaute von dem Manuskript auf und wusste einen Moment lang nicht, wo er war. Er sah durch das kleine Fenster rechts von sich und erblickte ein Meer von schneebedeckten Bergen sowie einen schier endlosen, klaren blauen Himmel.
Verwundert schüttelte er den Kopf. Er war völlig in das Manuskript versunken gewesen und hatte vergessen, dass er an Bord des Frachtflugzeugs der Army war.
Troy Copeland stand vor ihm, einer von Nashs DARPA-Leuten, der falkengesichtige Kernphysiker.
»Also, wie kommen Sie voran?«, wiederholte Copeland seine Frage und wies mit dem Kopf auf das Papierbündel in Race’ Schoß. »Schon rausgekriegt, wo das Götzenbild ist?«
»Ich habe es gerade entdeckt«, erwiderte Race, während er mit dem Daumen durch das restliche Manuskript blätterte. Er war zu etwa zwei Dritteln durch. »Ich glaube, ich weiß bald, wohin sie es gebracht haben.«
»Gut«, meinte Copeland und wandte sich ab. »Halten Sie uns auf dem Laufenden!«
»He«, meinte Race. »Kann ich Sie was fragen?«
»Gewiss.«
»Wozu wird Thyrium 261 benutzt?«
Bei dieser Frage runzelte Copeland die Stirn.
»Ich denke, ich habe ein Recht, das zu wissen«, sagte Race.
Copeland nickte langsam. »Ja … ja, vermutlich schon.« Er holte Luft. »Man hat Ihnen, glaube ich, bereits gesagt, dass Thyrium 261 auf der Erde nicht vorkommt. Es stammt von einem Doppelsternsystem, Plejaden genannt, das nicht weit von unserem entfernt ist. Wie Sie sich vielleicht vorstellen können, werden Planeten in Doppelsystemen wegen ihrer Zwillingssonnen von allen möglichen Kräften beeinflusst – die Fotosynthese ist doppelt so stark, die Gravitationseffekte ebenso wie der Gravitationswiderstand sind gewaltig. Deswegen sind Elemente, die man auf Planeten in Doppelsternsystemen findet, gewöhnlich schwerer und dichter als ähnliche Elemente auf der Erde. Thyrium 261 ist ein solches Element. Es wurde zum ersten Mal 1972 in erstarrter Form in den Wänden eines Meteoritenkraters in Arizona gefunden. Und obgleich die Probe dort seit Millionen von Jahren inert gewesen ist, hat sein Potenzial die Welt der Physik bis in ihre Grundfesten erschüttert.«
»Weshalb?«
»Nun, sehen Sie, auf atomarer Ebene hat Thyrium eine verblüffende Ähnlichkeit mit den irdischen Elementen Uran und Plutonium. Doch Thyrium ist um ein Vielfaches schwerer als diese beiden Elemente und es ist dichter als unsere wirkungsvollsten Kernelemente zusammen. Was bedeutet, dass es unendlich viel wirkungsvoller ist.«
Race spürte, wie ihm ein Gefühl der Bedrohung das Rückgrat hinaufkroch. Worauf wollte Copeland hinaus?
»Doch wie ich gesagt habe, ist Thyrium auf der Erde bisher nur in erstarrter Form gefunden worden. Seit 1972 sind zwei weitere Proben entdeckt worden, aber diese Art war wenigstens vierzig Millionen Jahre alt. Was niemandem etwas nützt, da erstarrtes Thyrium inert ist, chemisch tot. Worauf wir während der letzten siebenundzwanzig Jahre gewartet haben, ist die Entdeckung einer Probe ›lebenden‹ Thyriums, das auf der atomaren Ebene noch aktiv ist. Und jetzt glauben wir, dass wir sie gefunden haben, und zwar in einem Meteoriten, der vor fünfhundert Jahren in Peru eine Bruchlandung vollführt hat.«
» Was macht man mit Thyrium?«, fragte Race.
»Eine Menge«, erwiderte Copeland. »Eine ganze Menge. Zum einen ist sein Potenzial als Energiequelle astronomisch groß. Vorsichtige Schätzungen sagen voraus, dass ein entsprechend
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