Der Tempel
die sich in dem Sprichwort zusammenfassen lassen: Erstens kommt es anders und zweitens, als man denkt. Die Nachricht von der Erschaffung eines Apparats, der in der Lage ist, den Planeten zu vernichten, hat einige … Gruppierungen aus ihrem Bau hervorgelockt. Gruppierungen, die eine solche Waffe auf ihren Kreuzzügen für ein mächtiges Instrument der Erpressung halten.«
»Was für Gruppierungen?«
»Terrorgruppen. Menschen, die die ganze Welt als Geisel nähmen, wenn sie die Hand auf eine funktionsfähige Supernova legen könnten.«
»Aha«, sagte Race, »und jetzt haben Ihnen womöglich Terroristen die Supernova gestohlen.«
»Stimmt.«
»Sie haben die Büchse der Pandora geöffnet, nicht, Dr. Nash?«
»Ja. Ja, ich fürchte, das haben wir getan. Und deswegen ist es so wichtig, dass wir das Götzenbild in die Hand bekommen, bevor jemand anders es findet.«
Mit diesen Worten überließen Nash und Copeland Race wieder dem Manuskript.
Race benötigte einen Augenblick, um seine Gedanken zu sammeln. Das Gehörte schwirrte ihm im Kopf herum – Supernovas, globale Vernichtung, Terrorgruppen. Es fiel ihm schwer, sich zu konzentrieren.
Doch dann zwang er sich dazu, dies alles beiseite zu schieben. Er fand die Stelle im Manuskript wieder, wo er abgebrochen hatte – den Teil, wo Renco und Alberto Santiago sich gerade ihren Weg aus der belagerten Stadt Cusco gesprengt hatten.
Race holte tief Luft, rückte seine Brille zurecht und betrat erneut die Welt der Inka.
Zweite Lektüre
Wir jagten durch die Nacht, Renco, Bassario und ich, spornten unsere Pferde an, dass sie rascher galoppierten als je zuvor. Denn hinter uns, dicht hinter uns waren die Spanier – Hernando und seine Legion Berittener, die uns im Galopp wie die Hunde übers Land hetzten.
Nachdem wir das Cusco-Tal durch die nördlichen Tore verlassen hatten, schwenkten wir nach rechts ab, nach Nordosten. Wir erreichten den Urubamba – jenen Fluss, auf dem die Gefängnishulk lag – und überquerten ihn nicht weit vom Ort Pisac entfernt.
Und so begann unsere Reise, unsere verzweifelte Flucht durch die Wildnis.
Ich will dich, geschätzter Leser, nicht mit jedem unbedeutenden Ereignis unserer beschwerlichen Reise behelligen, denn sie ging über viele Tage, und die Zwischenfälle waren allzu zahlreich. Stattdessen werde ich nur jene Geschehnisse erwähnen, die der eigentlichen Geschichte dienlich sind.
Unser Ziel war ein Ort namens Vilcafor, wie Renco mir mitteilte, dessen Oberhaupt sein Onkel war. Dieser Ort war in den Ausläufern der großen Berge weit im Norden zu finden, und zwar an der Stelle, wo diese Berge im Osten auf den großen Regenwald trafen.
Offenbar war Vilcafor eine versteckte Zitadellenstadt – schwer befestigt und gut zu verteidigen –, die vom Inkaadel für Krisenzeiten unterhalten wurde. Ihre Lage war ein sorgsam gehütetes Geheimnis und man konnte sie nur finden, wenn man einer Reihe steinerner Totems folgte, die in bestimmten Abständen im Regenwald standen, und dann auch nur, wenn man den Schlüssel zum Auffinden der Totems kannte. Doch um den Regenwald zu erreichen, mussten wir zunächst die Berge überqueren.
Und so ritten wir in die Berge, jene gewaltigen Monolithen, die Neu-Hispanien beherrschten. Man kann ihre Großartigkeit kaum übertreiben. Ihre steilen Felsenklippen und hohen spitzen Gipfel sind das ganze Jahr über von Schnee bedeckt und Hunderte von Meilen weit zu sehen, selbst von den dichten Regenwäldern des Tieflands aus.
Nach einigen Tagen Ritt entledigten wir uns unserer Pferde, da wir es vorzogen, die schmalen Bergpfade zu Fuß zu passieren. Vorsichtig gingen wir schlüpfrige, schmale Wege entlang, die in die Hänge steiler Bergschluchten gehauen waren, überquerten zaghaft lange Hängebrücken, die hoch über tobenden Bergflüssen schwebten.
Und die ganze Zeit über erklangen durch das Labyrinth der schmalen Schluchten hinter uns die Rufe und Schritte der Spanier.
Wir erreichten mehrere Inkasiedlungen, die mitten in den prächtigen Bergtälern lagen. Jeder Ort war nach seinem Oberhaupt benannt – Rumac, Sipo, Huanco.
In diesen Siedlungen versorgte man uns mit Nahrung, Führern und Lamas. Die Großzügigkeit der Menschen war unglaublich. Es war, als wüsste jeder Bewohner von Renco und seiner Mission. Eine raschere Hilfe wäre kaum möglich gewesen. Wenn wir die Zeit hatten, zeigte Renco den Menschen das schwarze steinerne Götzenbild, und alle verneigten sich davor und verfielen in Schweigen.
Aber dazu
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