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Der Tempel

Der Tempel

Titel: Der Tempel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Matthew Reilly
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die uns von den Flussstädten Paxu, Tupra und Roya geschenkt worden waren. Die Boote erschienen mir bemitleidenswert klein, verglichen mit den ungewöhnlich großen Reptilien im Wasser um uns her. Die steilen Felsklippen der Tafelländer stiegen wir mit Hilfe kundiger Inkaführer ab.
    Des Abends, beim Feuerschein, unterwies mich Renco in seiner Sprache, Quechua. Als Gegenleistung lehrte ich ihn mit den beiden glitzernden spanischen Degen, die wir in Cusco hatten mitgehen lassen, die Finessen des Degenfechtens.
    Während Renco und ich fochten, übte Bassario sich im Bogenschießen, wenn er sich nicht gerade in eine Ecke des Lagers verzog. Offenbar war er vor seiner Einkerkerung – deren Grund ich nicht kannte – einer der besten Bogenschützen des ganzen Inkareichs gewesen. Ich glaubte es sofort. Eines Abends sah ich ihn eine Frucht des Regenwalds hoch in die Luft schleudern und sie einen Augenblick später mit einem Pfeil durchbohren, so groß war sein Geschick.
    Nach einiger Zeit ging uns auf, dass das schwierige Gelände des Regenwalds die Jagd unserer Verfolger etwas verlangsamt hatte. Die Geräusche, wie Hernando und seine Männer auf die Äste des Waldes hinter uns einhackten, wurden immer schwächer. In der Tat dachte ich einmal, dass Hernando seine Verfolgungsjagd vielleicht aufgegeben hätte.
    Aber nein. Jeden Tag holten uns Läufer aus den verschiedenen Ortschaften ein, die wir durchquert hatten, und berichteten von der Einnahme ihres Dorfes. Hernando und seine Männer waren noch immer unterwegs.
    Also quälten wir uns weiter.
    Dann, eines Tages, kurz nachdem wir Roya verlassen hatten und ich an die Spitze unserer kleinen Gruppe gewechselt war, schob ich einen großen Ast beiseite und fand mich Auge in Auge mit einer knurrenden, katzengleichen Kreatur wieder.
    Mit einem Aufschrei stürzte ich zurück und fiel mit einem lauten Platschen in den Schlamm.
    Als Nächstes hörte ich Bassario leise kichern.
    Ich blickte auf und sah, dass ich eine Art Totem enthüllt hatte. Die knurrende Katze, die ich gesehen hatte, war nichts weiter als das Steinbild eines großen, katzengleichen Wesens. Aber die Statue war von einem Schleier tröpfelnden Wassers bedeckt, sodass der unachtsame Reisende – ich – den Eindruck bekommen musste, dass dieses Wesen wirklich und wahrhaftig lebendig war.
    Beim genaueren Betrachten fiel mir auf, dass sich die steinernen Züge des Totems nicht sehr von denen des Götzenbildes unterschieden, dem Anlass unserer wilden Flucht. Es war eine Art Jaguar, hatte große, katzenhafte Fänge und knurrte den unvorsichtigen Forscher, der zufällig darüber stolperte, an – nein, brüllte ihn an.
    Mehr als einmal habe ich mich über diese Faszination der Inka für Großkatzen gewundert.
    Sie verehren diese Wesen, behandeln sie wie Götter. In der Tat werden Krieger, die in ihren Bewegungen das katzenhaft harmonische Zusammenspiel der Muskeln zeigen, in ihrer Armee am meisten verehrt. Es wird als großes Geschick erachtet, auf den Füßen landen und sogleich in den Kampf zurückspringen zu können. Ein solcher Krieger ist im Besitz des jinga.
    An eben jenem Abend, kurz bevor ich auf so lächerliche Weise über das Steintotem stolperte, hatte Renco mir erzählt, dass das am meisten gefürchtete Wesen der Inka-Mythologie eine große schwarze Katze sei, die auf Agmara als »Titi« und auf Quechua als »Rapa« bekannt sei. Anscheinend ist dieses Wesen so schwarz wie die Nacht und fast so groß wie ein Mann, sogar wenn es auf allen vieren steht. Und es töte mit einer Bestialität, die ihresgleichen nicht kenne. Tatsächlich sagte Renco, diese Wildtierart töte aus keinem anderen Grund als der Freude am Morden.
    »Gut gemacht, Bruder Alberto«, sagte Renco nun, während ich im Schlamm lag und zu dem Totem aufstarrte. »Du hast das Erste der Totems gefunden, die uns nach Vilcafor bringen werden.«
    »Wie werden sie uns dorthin bringen?«, wollte ich beim Aufstehen wissen.
    »Es gibt einen Schlüssel«, erwiderte Renco, »der nur den Obersten des Inkaadels bekannt ist …«
    » Aber wenn er ihn dir verrät, wird er dich töten müssen«, warf Bassario mit einem unverschämten Grinsen ein.
    Renco lächelte Bassario nachsichtig an. »Stimmt«, sagte er. »Doch falls ich sterbe, brauche ich jemanden, der meine Mission fortsetzt. Und dazu wird dieser Jemand den Schlüssel der Totems kennen müssen.« Renco wandte sich mir zu. »Ich habe gehofft, du wärest gewillt, diese Verantwortung zu übernehmen,

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