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Der Tempelmord

Der Tempelmord

Titel: Der Tempelmord Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernhard Hennen
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vor sich hinbrummend durchquerte er das Torgewölbe, folgte dem langen Bau des Stadions und bog dann nach links ab. Hier hatten die mächtigen Handelsherren der Stadt ihre Villen errichtet. Prächtige Häuser mit reich gegliederten, marmornen Fassaden, in denen jetzt Tausende unheilverkündender Schatten zu nisten schienen. Philippos mußte an die Geschichte des Thanatos denken, die man sich überall erzählte, wie er als Marmorbild zum Leichnam des Mundschenks geflogen war. Auch hier gab es überall marmornes Schmuckwerk. Flache Reliefs an Giebeln, die Götter und Heroen zeigten. Nervös blickte Philippos über seine Schultern.
    Der Wind fing sich an Säulenvorsprüngen und Schmuckgiebeln. Allenthalben war ein Pfeifen und Heulen zu hören, als hätten sich die Pforten des Hades geöffnet.
    Der Grieche beschleunigte noch einmal seinen Schritt. Fast schon laufend eilte er die Straße entlang, bis er das große, aus dem Felsen gehauene Theater erreichte. Dort bog er auf die lange, gerade Hafenstraße ab. Hier waren Menschen! Gelbes Licht leuchtete durch die Ritzen hölzerner Fensterläden. Hier und da huschte ein später Gast dicht an die Häuserwände gedrückt von einer Taverne in die nächste.
    Keuchend verharrte der Arzt, um wieder zu Atem zu kommen.
    Was für ein Bild wäre es auch, wenn er hechelnd in der Tür seiner Gespielin für diese Nacht auftauchen würde.
    Als er sich wieder gefaßt hatte, schlenderte Philippos gelassen die Straße hinab. Es gab Dutzende Läden aller Art, die ihre Auslagen längst geräumt und mit Holzläden geschlossen hatten. Jedes dritte oder vierte Haus aber beherbergte eine Schenke oder ein Bordell. Zielsicher strebte der Grieche auf jenes große Haus in der Mitte der Straße zu, das er so gut kannte.
    Im Erdgeschoß gab es dort einen Bäcker, der sich auf die Herstellung sehr ausgefallener Köstlichkeiten spezialisiert hatte. Brote, die aussahen wie ein Phallos, oder auch Törtchen, die in ihrer Form weiblichen Brüsten nachempfunden waren. Eine schmale Holzstiege führte zum ersten Geschoß hinauf, wo entlang eines Säulenganges sechs Zimmerchen lagen, in denen erlesene Hetairen ihren Beruf ausübten. An warmen Tagen standen sie oft in ihren durchscheinenden, safranfarbenen Gewändern in den Türen, so daß man sie von der Straße aus gut sehen konnte. Jetzt jedoch waren alle Türen verschlossen.
    Mit einem Stoßgebet zu Dionysos auf den Lippen, erklomm Philippos die Stiege. Hoffentlich hatte Neaira keinen Besuch.
    Sie und keine andere wollte er in dieser Nacht!
    Über den Türen hingen kleine Laternen. Sie beleuchteten die Namen der Freudenmädchen, die in geschwungenen roten Buchstaben auf den Türsturz gemalt waren. Daneben standen auch jeweils die Preise, die von den Liebesdienerinnen für die Erfüllung der verschiedensten Wünsche verlangt wurden. Im Vorbeigehen las der Grieche die Namen. Aspasia, Phryne, Lais ... Sie alle waren schöne Frauen, doch keine von ihnen reichte an Neaira heran.
    Philippos dachte an den lauen Nachmittag vor ein paar Wochen, als er Neaira zum ersten Mal gesehen hatte. Es war wie eine Vision gewesen. Wie vom Schlag gerührt war er stehengeblieben und hatte zu ihr hinaufgestarrt, bis sie ihm schließlich zuwinkte. Die zarte Thrakerin erinnerte ihn an Daphne, die Tochter des Amphorenhändlers, die er seine ganze Jugend hindurch angebetet hatte. Doch als Sohn eines armen Töpfers war er bei ihrem Vater nie gerne gesehen gewesen. Der Arzt seufzte leise. Er hatte gemeint, daß Daphne seine Gefühle erwidert hatte. Trotzdem hatte sie den dicken Weinhändler geheiratet, den ihr Vater für sie aussuchte. Sie war der Grund dafür gewesen, daß er zur Legion gegangen war.
    Er hatte es in Athen nicht mehr ausgehalten. Sie in den Armen dieses geilen, fettbäuchigen Silens zu wissen, das war ihm unerträglich gewesen.
    Mehr als zwanzig Jahre waren seitdem vergangen. Längst hatte er die Erinnerung an Daphne in seinem Herzen begraben, bis hin zu jenem Nachmittag, an dem er Neaira begegnet war. Sie war Daphne wie aus dem Gesicht geschnitten.
    Zögernd lauschte der Arzt an der Tür der Hetaire. Dionysos schien ihn erhört zu haben! Es war still! Er klopfte und trat ein, ohne auf eine Antwort zu warten. Neaira kauerte mit angezogenen Beinen auf einem Stuhl, vor dem ein flaches Feuerbecken stand. Ein Windstoß wehte durch die offene Tür und ließ die Kohlen aufglühen.
    »Sperr die Aiolosboten aus, mir ist kalt«, murmelte die Thrakerin verdrossen. Philippos

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